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Verspäteter Faschingsscherz

Ein verspäteter Faschingsscherz oder unglaubliche Unverfrorenheit und Frechheit ist der Antrag von einigen Gemeindewald-Nutzungsberechtigten in Gries am Brenner. Trotz der bekannten Rechtslage, daß alle Regulierungen rechts- und verfassungswidrig waren, haben sie den Antrag auf Übertragung des Gemeindegutes an eine zu gründende Agrargemeinschaft gestellt. Es ist offensichtlich noch nicht genug. Die Politgaunerei der Landespolitik und der Landesverwaltung in den 60er Jahren und der chronische Rechtsbruch des Dr. Sponring bis in die 90er Jahre bildet auch heute noch das Rechtsstaatsverständnis einiger Agrarier.

Tiroler Tageszeitung, Printausgabe vom Fr, 16.09.2011
Innsbruck Land
Agrarier sagen Gemeinde Kampf an

In Gries am Brenner treibt der Agrarstreit skurrile Blüten: Dort wollen acht Holzbezugsberechtigte das Eigentum am Gemeindewald an eine Agrargemeinschaft übertragen. Die Gemeindeführung ist empört.
Von Christoph Mair
Gries a. Br. – Den Konflikt zwischen Gemeinden und Agrargemeinschaften kannten die Grieser bislang nur aus anderen Orten bzw. den Medien. Denn zum Unterschied zu vielen anderen Kommunen Tirols blieb in Gries der Gemeindewald auch im Eigentum der Gemeinde. Die Bauern haben darin Holzbezugsrechte. In anderen Orten wurde das Eigentum am so genannten Gemeindegut früher an bäuerliche Agrargemeinschaften übertragen. Eine Praxis, die laut dem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs zu Mieders 2008 „offenkundig verfassungswidrig“ war. Die Landesregierung änderte daraufhin das Agrargesetz, das den über Wald- und Weidenutzung hinausgehenden Substanznutzen am Gemeindegut den Kommunen zuspricht.
Unter diesen Vorzeichen versuchen, wie jetzt bekannt wurde, acht Holzbezugsberechtigte, der Gemeinde das Waldeigentum streitig zu machen. In einem Antrag an die Agrarbehörde begehren sie die Bildung von Agrargemeinschaften für „Nösslacher und Egger Berg“, denen auch das Grundeigentum übertragen werden soll. Bürgermeister Karl Mühlsteiger bestätigt auf TT-Anfrage, dass es einen – in erster Instanz ablehnenden – Bescheid der Agrarbehörde gibt. Die Antragsteller würden ihren Vorstoß damit begründen, dass die Waldbewirtschaftung durch die Gemeinde defizitär sei und fachlich falsch gemacht werde. Zudem seien die Forstwege in einem schlechten Zustand. Der Wald wäre bei den Bauern besser aufgehoben. Der federführende Antragsteller war urlaubsbedingt nicht erreichbar.
Mühlsteiger will beim ersten Blick auf den Bescheid „aus allen Wolken“ gefallen sein. Schließlich habe keiner der Bauern ein Wort darüber verloren. Dabei sitze mit Ortsbauernobmann Thomas Scheiber einer der Antragsteller sogar im Gemeinderat (Liste Gemeinsam für Gries). „Ein Gemeinderat sollte auf Seiten der Gemeinde stehen und nicht für deren Enteignung“, ärgert sich Mühlsteiger. Denn auch als er Scheiber im Gemeinderat darauf angesprochen habe, sei dieser wortkarg geblieben – wie auch gegenüber der TT. „Zu einem laufenden Verfahren gibt es von mir keine Stellungnahme“, sagt Scheiber. Die ganze Angelegenheit liegt nach einer Berufung der Antragsteller inzwischen bei der zweiten Instanz, dem Agrarsenat. Nicht nachvollziehen kann der Bürgermeister auch die Argumente, dass die Gemeinde so schlecht wirtschafte. Schließlich habe Gries 2003 den Staatspreis für vorbildliche Waldbewirtschaftung erhalten und seitdem nichts geändert. Dass sich die Gemeinde gut um ihr Eigentum kümmere, bestätigt auch Helmut Gassebner als Leiter der Bezirksforstinspektion Steinach.
Große Profite seien mit der Waldbewirtschaftung nicht zu machen, gesteht der Bürgermeister ein. „Es hängt stark vom Holzpreis ab und meist fließen die Erträge eins zu eins in die Erhaltung der Forstwege.“ Den Gemeindewald betrachtet er als Rückversicherung.