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Die Jagd, die Agrar, die Agrarbehörden, der Fiskus und der Rechtsstaat

Ein bis dato eigentlich kaum zitiertes Urteil des EU-Gerichtshofes vom 26. Mai 2005, verlautbart im Amtsblatt der Europäischen Union, hat es in zwei Punkten in sich:


  • In der Beurteilung der Frage, ob die Jagd eine landwirtschaftliche Gesetzesmaterie ist
  • In steuerlicher Hinsicht
Zum ersten Punkt:
Der  >EU-GH>  sagt: "2. Artikel 25 Absatz 2 ...  ist dahin
auszulegen, dass die Verpachtung von Jagdbezirken durch einen
Pauschallandwirt keine landwirtschaftliche Dienstleistung ... ist"
.

Dem steht völlig konträr gegenüber das Testballon-Erkenntnis des Landesagrarsenates zur AG Pflach, worüber sich  >laut TT>  sogar der Schwarzmander-Klubchef im Landtag Geisler wunderte.

Der VfGH ist in allen seinen Erkenntnissen der klaren Auffassung gewesen, es wird in einigen Fällen auch als Beispiel angeführt, dass die Jagdpacht ein Substanznutzen ist, der ausschließlich der Gemeinde zusteht.

Unser Ortsbauernobmann hingegen, als indoktriniertes Sprachrohr von Bauernbund und Plattformern meint,  es sei noch nicht klar (ausjudiziert), dass  auch der Jagdpachterlös zu den Einnahmen aus dem Substanzwert gehört. Er sitzt mit dieser Meinung im Gemeinderat und im Überprüfungsausschuss. Die Gemeindeaufsicht wird ihm vermutlich weiterhin Unbefangenheit in Angelegenheiten des Gemeindegutes bescheinigen.

Man muß ihn und alle, die mit den Jahresrechnungen der Agrargemeinschaften zu tun haben, nicht nur auf das EU-GH Urteil aufmerksam machen, sondern auch an folgende Argumentation des VfGH erinnern:
 
Es war für den Bestand eines Nutzungsrechts am Gemeindegut maßgeblich, ob dieses bei Inkrafttreten der Tiroler Gemeindeordnung 1866 schon rechtmäßig ausgeübt wurde. ...  Nur wenn diese Voraussetzung zutraf, lag ein mehr als hundert Jahre altes Recht und somit kein sachlich nicht gerechtfertiges Vorrecht im Sinne des Erkenntnisses VfSlg 9336/1982 vor.
 
Im Jahre 1866 war jedoch für die jagdrechtlichen Verhältnisse das kaiserliche Patent vom 4. März 1849, RGBl. Nr. 154, maßgeblich, dessen wesentliche Bestimmungen wie folgt lauteten: 
„ §. 1
Das Jagdrecht auf fremden Grund und Boden ist aufgehoben. 
§. 5
Jedem Besitzer eines zusammenhängenden Grundcomplexes von wenigstens zweihundert Joch wird die Ausübung der Jagd auf diesem eigenthümlichen Grundcomplexe gestattet. 
§. 6
Auf allen übrigen … innerhalb einer Gemeindemarkung gelegenen Grundstücken wird vom Zeitpuncte der Wirksamkeit dieses Patents die Jagd der betreffenden Gemeinde zugewiesen. 
§. 7
Die Gemeinde ist verpflichtet, die ihr zugewiesene Jagd entweder ungetheilt zu verpachten, oder selbe durch eigens bestellte Sachverständige (Jäger) ausüben zu lassen. 
§. 8
Der jährliche Reinertrag der den Gemeinden zugewiesenen Jagd ist am Schlusse jedes Verwaltungs- oder Pachtjahres unter die Gesammtheit der Grundeigentümer, auf deren … Grundbesitze die Jagd von der Gemeinde ausgeübt wird, nach Maßgabe der Ausdehnung des Grundbesitzes zu vertheilen.“
 
Weder das Jagdausübungsrecht noch der Anspruch auf den Jagdpachtzins konnten daher 1866 rechtmäßige Bestandteile der Gemeindegutsrechte sein und sie sind es bis heute nicht geworden. Die alten Nutzungsrechte am Gemeindegut durften gemäß VfGH 1982 durch die Regulierungen nicht erweitert werden, weil dies jedenfalls gleichheitswidrig gewesen wäre. Und alles, was nicht zu diesen alten Nutzungsrechten gehörte, ist Bestandteil des ausschließlich der Gemeinde zustehenden Substanzwertes.

Dem Landesagrarsenat wurde vom VfGH bereits einmal "objektive Willkür" vorgehalten, also Amtsmißbrauch. Den "Senatoren" sei es mit Verlaub gesagt, daß ihr Fehlverhalten schriftlich in Erkenntnissen festgehalten ist. Im Gegensatz zu den "Testballon-Anregungen" der politisch Verantwortlichen.
Örtliche Akteure sollten nicht gegen die obige Sachlage entscheiden, es wäre Untreue.

Zum zweiten Punkt:
Er ist um einiges pikanter, weil praxisnäher. Die Kernaussage des EuGH, dass die Verpachtung von Jagden keine landwirtschaftliche Dienstleistung ist, stellt die Basis von diesbezüglichen Mehrwertsteuerrichtlinien dar. Diese werden in der Zeitschrift  >„Jagd in Tirol“>  vom März 2006 von HR Sarnthein klar geschildert.  

Hier heißt es:
  • Die Umsätze aus der Verpachtung einer Eigenjagd oder eines Fischereirechtes durch einen pauschalierten Land- und/oder Forstwirt fallen nicht mehr unter die Pauschalierungsbestimmung (Durchschnittsbesteuerung) des § 22 UStG 1994, sondern sind wie beim buchführungspfl ichtigen Landund Forstwirt nach den allgemeinen Regeln des Umsatzsteuerrechtes mit dem Normalsteuersatz von 20 % zu versteuern.

  • Betroffen sind alle pauschalierten land- und forstwirtschaftlichen Betriebe wie beispielsweise, Einzelpersonen, Gesellschaft en, Gemeinden, Agrargemeinschaften, Stiftungen, Vereinen usw.

Dies hat sich offensichtlich nicht zu allen Agrargemeinschaften durchgesprochen. Während die mittlerweile medial bekannte Agrargemeinschaft Kematen mit der berüchtigten Partl-Jagd seit 2006 20% MwSt an den Fiskus abliefert, weist z.B. in Mieming eine Agrargemeinschaft Jagdpachteinnahmen von über € 11.000.- aus, denen im Jahresabschluss 2009  € 1.566,19 als Steuerleistung gegenüber stehen.  Was nicht 20% beinhalten kann. Eine andere gibt € 5.300.- als Jagdapcht an und weist € 588,95 als Gesamtsteuerleistung aus. Eine dritte gibt € 11.000.- als Jagdpacht an und führt nur € 1.544,93 als Steuerleistung in den Büchern. Bei den übrigen Agrargemeinschaften kann man mangels Gliederung keine Aussagen treffen. Die Voranschlagszahlen für 2010 sehen ähnlich aus.
Vorsichtig gesagt, ist die genaueste Prüfung der Jahresrechnungen und Voranschläge auch in steuerlicher Hinsicht zu empfehlen.

Wie geschehen nun die Kontrollen überhaupt:
Die Gemeinde als ausschließlich Substanznutzungsberechtigte, die natürlich  in diesem Falle auch die Steuern aus dem Rechnungskreis 2 abführen müßte, wird als Kontrollorgan für den eigenen Wirkungsbereich durch die Landesbehörden wesentlich eingeschränkt. Nur Bürgermeister oder Gemeindevertreter dürfen "Einsicht" nehmen. Die Arbeitsweise der Agrargemeinschaftsfunktionäre beinhaltet aber möglicherweise Steuervergehen, für die per Gesetz eigentlich die Gemeinde mit dem Rechnungskreis 2 verantwortlich wäre.
Die Gemeindeaufsicht hat bereits mehrfach ihre Unzuständigkeit verkündet, obwohl die Gemeindegutsangelegenheiten zwangsläufig nach TGO und  nach Novelle auch im TFLG  im eigenen Wirkungsbereich behandelt werden müssten.
Die Agrarbehörde gab und gibt sich mit Stempel und Unterschrift durch die Gemeinde zufrieden. Eine Plausibiltätsprüfung der Steuerleistungen hat offensichtlich noch nie stattgefunden.

Insgesamt tanzen augenscheinlich Agrargemeinschaften und Landesbehörden dem Rechtsstaat auf der Nase herum. Die Gemeinde Mieming übt mit dem Bürgermeister auch schon einige Tanzschritte.

Ein Kurzzeitobmann einer Mieminger Agrargemeinschaft hat vor einiger Zeit öffentlich verkündet, dass der Grund für die (Anm. rechtswidrige) Übertragung an die Agrargemeinschaften die Unfähigkeit der Gemeinden zur Verwaltung des Gemeindegutes gewesen wäre. Er hat Recht, wenn auch nicht in seinem Sinne:
  • Die Holzerträge als Hauptgegenstand der Selbstverwaltung werden nicht über die Agrargemeinschaft verrechnet.
  • Die Kosten werden gesetzwidrig nicht umgelegt.
  • Die Rechnungsvorgaben der Agrarbehörde werden  nicht eingehalten.
  • Es bestehen Zweifel über die Vollständigkeit der Pachtverrechnungen.
  • Die Finanzbuchführung über Forderungen und Kredite ist nicht vollständig.
  • Steuerliche Vorgaben scheinen nicht eingehalten zu werden
  • Rechtswidrige Ausübung von Nutzungsrechten durch obigen Kurzzeitobmann wie auch von mehr als der Hälfte aller Agrargemeinschaftsmitglieder zum Schaden der Gemeinde. Weil die "Stalltür zu ist". Wo es keinen Hof mit Landwirtschaft gibt, da sind von Rechts wegen die Nutzungsrechte zu löschen.
Das ist nur ein sichtbarer Teil der Mängel, ohne dass eine detaillierte Prüfung stattgefunden hat.
Laut VfGH haben die Agrargemeinschaften einen "Ausschnitt der öffentlichen Verwaltung zu besorgen".
Unter der Verantwortung der Gemeinde hätte dies so nie geschehen können. Dazu wäre eine Gemeinde nicht fähig
Hier ist kein "Ausschnitt von öffentlicher Verwaltung" im Hinblick auf eine rechtsstaatlich  sinnvolle Selbstverwaltung zu entdecken, hier herrscht ein Saustall. Und das Land Tirol versucht den unter dem Schutzmantel der Behörden herrschenden Gestank mit Werbekampagnen zu parfümieren.