Eigentumsverschiebung, Rechtsbeugung und politischen Willkür können auch mit knappen Worten beschrieben werden. Die „Zehn Gebote“ reichen aus. Der sichtbar mangelnde Respekt vor bestehenden Entscheidungen und vor dem geltenden Recht ist ein Sittenbild der Agrarjuristerei in Tirol seit der Grundbuchsanlegung. Das siebente und das achte Gebot beschreiben das Fehlverhalten der Landesregierung und des Landesagrarsenates zum Gemeindegut in Anras[1].
Agrarbehördlicher Wissensstand 2019
Die Auskunft[2] LHStvJG-35/165-2019, Innsbruck, 01.08.2019, repräsentiert den derzeit gültigen Wissensstand der Agrarbehörde und der agrarischen Rechtsprechung durch rechtskräftige Bescheide im Sinn des § 33 Abs. 2 lit. c Z. 2 TFLG 1996, durch die das Vorliegen von Gemeindegut oder kein Gemeindegut festgestellt wurde.
AG Nachbarschaft Anras – Gemeindegutsagrargemeinschaft
AG Nachbarschaft Asch mit Winkl und AG Nachbarschaft Ried – kein Gemeindegut – mit der Begründung vormals kein Gemeindeeigentum, abgeändert durch LAS – Verfahren bis VfGH und VwGH.
Wissensstand des Grundbuchsgerichtes:
Die zur Anlegung im Grundbuch einverleibten Eigentumsrechte zeigen für alle Grundbuchskörper eindeutiges Eigentum von Gemeindeteilen, also Gemeindevermögen, auf. Daraus kann man mit gebotener Rechtssicherheit schließen, dass Gemeindeeigentum und Gemeindegut gemäß der Tiroler Gemeindeordnung, § 2 des Gesetzes vom 8. Juni 1892 und der Grundbuchsanlegungsgesetze vorlag. Man kann davon ausgehen, dass für die Eigentümer die gesetzlichen Bezeichnungen nach dem gerichtlichen Wortlaut einverleibt wurden.
Auf Grund unvordenklichen Besitzes wird das Eigentumsrecht für die Ortschaft Anras der Gesamtgemeinde Anras einverleibt, Ezn 85004-36a
Auf Grund faktischen Besitzes wird das Eigentumsrecht für die Ortschaft Asch mit Winkl einverleibt, Ez 85005-45a
Auf Grund unvordenklichen Besitzes wird das Eigentumsrecht für die Ortschaft Ried einverleibt, Ez 85030-34a
Wissensstand des Bauernbundes
Aus dem Gründungsprogramm des Tiroler Bauernbundes 1904 geht klar hervor, dass die Gemeinden als Eigentümer der Teilwälder angesehen wurden: Der erste allgemeine Tiroler Bauerntag erklärt, … daß die Eintragung der Gemeinden als Waldeigentümer als eine Schädigung der Rechte der Besitzer empfunden wird. Der Bauerntag fordert, daß … die Besitzer als Eigentümer der Teilwälder im Grundbuch eingetragen werden. Der Bauernbund mit seinem Gründungsvater, Obmann Josef Schraffl[3], der aus dem Nachbarort Sillian stammt, hat im Landtag eine Gesetzesnovelle zur Gemeindeordnung beschließen können, die die Übertragung von Gemeindeeigentum von Landtagsbeschlüssen unabhängig machte und damit wesentlich erleichterte. Schraffl und der Bauernbund wussten selbstverständlich ganz genau, dass im Gemeindeeigentum auch das Eigentum von Gemeindeteilen enthalten ist. Auch in Anras.
Wissensstand der Nutzungsberechtigten
Nur die Gemeinde konnte Anerkennungen[4] veranlassen, der Landesauschuss hat diese am kurzen Weg bestätigt. Es war nur ein Beschluss des Gemeindeausschusses notwendig. Es ist logisch, dass mit allen Betroffenen vor Beschluss einvernehmen hergestellt wurde. Alle wussten daher Bescheid, dass Gemeindevermögen zu Disposition stand. Damit wurde aber auch von allen das Eigentum der Gemeinde für die verbliebenen Restflächen der Grundbuchskörper festgestellt. Darüber hinaus wurde vom Gemeindeausschuss nicht nur das neue Eigentumsrecht von Stammliegenschaften mit Ezn röm. I, das Eigentum von sonstigen Gütern mit Ezn röm. II, von Eigentumsgemeinschaften und auch von Gemeindeteilen, anerkannt. Das Flächenausmaß[5] ist mit den in der GV-Erhebung vorhandenen Dokumenten nicht nachvollziehbar, die Anzahl der übertragenen Parzellen und die Anzahl der Begünstigten könnte mit den Eintragungen im Grundbuch erfasst werden.
Spezieller Wissensstand der lokalen Kirchen
Alle Ortschaftskirchen in Anras haben bereits 1905 ihre Ansprüche für eventuell eintretende Eigentumsübertragungen angemeldet. Das Gesetz dazu ist 1910 in Kraft getreten, der Gemeindebeschluss erfolgte 1913 und die Intabulierung im Grundbuch 1917. In diesem Jahr wurde Josef Schraffl zum Landeshauptmann von Tirol gewählt. Man kann kirchliches Insiderwissen vermuten. Die Anmerkungen und Übertragungen sind im Grundbuch auf den A2-Seiten ersichtlich gemacht.
Ortschaft Anras:
Ortschaft Asch mit Winkel:
Ortschaft Ried:
Gemeindeeigentum – notariell beglaubigt
Aus der Anerkennungsurkunde[6] vom 21. Dezember 1913 ist in jedem Detail, bei allen übertragenen Dienstbarkeiten und Rechten, abzulesen, dass die Ortschaften Anras[7], Asch mit Winkel[8] und Ried[9] Gemeindeteile der politschen Gemeinde Anras sind. Es ist damit auch notariell beglaubigt, dass die Restflächen der Grundbuchskörper nach den Anerkennungen Gemeindeeigentum sind.
Gemeindeeigentum – nach NS-Gemeinderecht
Bei allen Einlagezahlen findet sich am B-Blatt die Eintragung:
Auf Grund der Abschaffung der Gemeindeteile in der neuen „deutschen“ Gemeindeordnung wurde das Eigentum dem Rechtsnachfolger der Gemeindeteile, der Gemeinde Anras, übertragen. Gemäß dem bis dahin gültigen Fraktionengesetz waren die Gemeindeteile nicht über das Eigentum des ihnen zugeschriebene Grundbuchskörpers verfügungsberechtigt. Die Verfügungsgewalt in Eigentumsangelegenheiten lag allein bei der Gesamtgemeinde. Insofern hat die Einführung der deutschen Gemeindeordnung und die Übertragung des Eigentums an die Gemeinde nichts geändert. Hier ist eine amtswegige Berichtigung erfolgt. Das Eigentum der Gemeinde bestand unbestritten bis 1943.
Agrargemeinschaftseigentum nach Haller
Das grundbücherlich, notariell, vom Bauernund und von den Berechtigten anerkannte Gemeindeeigentum war Haller politisch begründet „wurscht“. Er hat in Anras, wie bei fast allen ehemaligen Gemeindeteilen in Osttirol, Agrargemeinschaften als Eigentümer eintragen lassen.
Ortsteil Anras
Ortsteil Asch mit Winkel
Ortsteil Ried
Agrargemeinschaftseigentum nach 1945
Klare Sprache ist notwendig
Das älteste noch gültige Gesetzeswerk, allgemein bekannt unter „Zehn Gebote“, erfüllt mit den §§ 7 und 8 diese Voraussetzung: „7. Du sollst nicht stehlen.“ und „8. Du sollst kein falsches Zeugnis geben.“
Alle Grundbuchskörper im Eigentum der Ortschaften Anras, Asch mit Winkel und Ried sind zweifelsohne bis zu den „Regelungen“ durch die Agrarbehörde Lienz unter Haller als Gemeindevermögen der politischen Gemeinde Anras anzusehen. Die Auskunft LHStvJG-35/165-2019, Innsbruck, 01.08.2019, stellt durch rechtskräftige Bescheide im Sinn des § 33 Abs. 2 lit. c Z. 2 TFLG 1996 fest, dass bei der AG Nachbarschaft Anras Gemeindegut vorläge, wogegen bei AG Nachbarschaft Asch mit Winkl und AG Nachbarschaft Ried gemäß der Abänderung des LAS „vormals kein Gemeindeeigentum“ und daher auch kein Gemeindegut bestünde.
Auf Grund der vorliegenden Fakten ist die Abänderung des LAS als grobes Fehlerkenntnis einzustufen. Es ist eine Unwahrheit, eine Verhöhnung des Hausverstandes und des öffentlich dokumentierten Wissens im Grundbuch. Politische Absicht liegt vor. Keine Paragrafendrescherei nach dem TFLG kann über die Fakten hinwegtäuschen.
In Anras, wie bei anderen Gemeinden auch, liegt das höchstgerichtlich festgestellte Vermögensdelikt – der Diebstahl – vor. Nicht nur im Fall Ortschaft Anras, wo er zugegeben wird, sondern auch in den beiden weiteren Fällen. Bei diesen wurde der LAS vorgeschickt, um „falsches Zeugnis“ zu geben. Dieses „falsche Zeugnis“ – die Lüge – wird aktuell noch durch die Landesregierung, in der Auskunft LHStvJG-35/165-2019 weiterverbreitet.
Das Gesamtausmaß der Schuld des Landes, vertreten durch Landesregierung und Landtag, ist mit Milliarden zu beziffern und daher kaum wieder gut zu machen. Zuviel davon ist unwiederbringlich versickert. Ein Gemeindegut-Rückübertragungsgesetz kostet nur einen Landtagsbeschluss und die Ausführungsarbeit durch die Gemeindeabteilung. Die Agrarbehörde könnte zur Kompensation eingespart werden.
[2] >> LHStvJG-35/165-2019>> Seite 5 und Seite10
[3] >>Josef Schraffl Wikipedia>>
[4] >>Anerkennungsurkunde Anras>>
[5] Rund 230 km² lt. Delong, Die Teilwälder Tirols 38, zitiert von Sandgruber nach Happak (1934)
[6] >>Anerkennungsurkunde Anras 1917>>
[7] >>Anras Anras Anerkennungen11/1917>>
[8] >>Anras Asch mit Winkl Anerkennungen 11/1917>>
[9] >>Anras Ried Anerkennungen 11/1917>>