Aktuelles

TT: Über die Verteilungsgerechtigkeit

Tiroler Tageszeitung, Printausgabe vom Fr, 29.04.2011
Über die Verteilungsgerechtigkeit
Warum die Debatte über die Agrargemeinschaften mehr ist als nur ein Agrarthema.


Von Peter Nindler
Innsbruck – In einer hochkarätigen Podiumsdiskussion des Renner-Instituts wird heute Abend ab 19 Uhr in den Innsbrucker Raiffeisensälen in der Ursulinenpassage über „Gemeindegut und Agrargemeinschaften, Recht oder Unrecht?“ diskutiert. Sowohl Vertreter der Gemeinden (u. a. Präsident Ernst Schöpf, Anwalt LA Andreas Brugger) als auch der Agrargemeinschaften (Plattform-Agrar-Obmann Georg Danzl, Anwalt Bernd Oberhofer) werden versuchen, ihre unterschiedlichen Positionen darzustellen.
Die emotionale Debatte über die laut Verfassungsgerichtshof „offenkundig verfassungswidrigen“ Übertragungen des Gemeindeguts an die Agrargemeinschaften symbolisiert nach fünf Jahren jedoch mehr als nur ein Tauziehen zwischen Gemeinden und Agrargemeinschaften über Besitz, Rücklagen und außeragrarische Einnahmen. Aus den Agrargemeinschaften haben sich nämlich über ihre landwirtschaftlich wichtigen Tätigkeiten hinaus Wirtschaftsunternehmen entwickelt. Das war aber nur durch die umstrittene Übertragung des Gemeindeguts möglich. Eine kleine Gruppe profitierte plötzlich vom Vermögen der Allgemeinheit.
Nach jahrzehntelanger Untätigkeit der Politik hat der Verfassungsgerichtshof diese Situation 2008 korrigiert und den Gemeinden die außer­agrarischen Einnahmen aus dem Gemeindegut zugesprochen und die Agrargemeinschaften auf das reduziert, was sie eigentlich sein sollen: Agrargemeinschaften. Nur das wollen viele – nicht einzelne – der 287 Agrargemeinschaften nach wie vor nicht akzeptieren. Sie blockieren damit die von der Landesregierung mit dem Agrargesetz engagiert betriebene Umsetzung des VfGH-Erkenntnisses. Und das hat politische Sprengkraft.
Denn die Agrarfrage steht mittlerweile für Verteilungsgerechtigkeit in Tirol, wofür die Politik ohne Wenn und Aber zu sorgen hat. Gelingt das der ÖVP/SPÖ-Regierung nicht, wird auch die Landtagswahl 2013 vom Thema Agrargemeinschaften als Symbol für Verteilungsungerechtigkeit beherrscht werden. Das wollen weder LH Günther Platter (VP) noch SP-Chef LHStv. Hannes Gschwentner. Deshalb müssen sie rasch die Blockade durchbrechen. Über das „Wie“ rauchen derzeit die Köpfe. Eine Agrarnovelle wird noch ausgeschlossen.