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Der Landtagspräsident beliebt zu scherzen


Auszug aus dem Sitzungsbericht des Tiroler Landtages,
XV. Gesetzgebungsperiode, 22. Sitzung am 9. Februar 2011
Präsident DDr. van Staa:
"20. >Dringlichkeitsantrag> der Abgeordneten Dr. Brugger und andere betreffend Agrarnovelle: Rückübertragung des atypischen Gemeindeguts an die Gemeinden. Ich lasse den zu, obwohl es kein atypisches Gemeindegut gibt, wie Herr Dr. Brugger weiß, es gibt nur einen atypischen Rechtsübergang des Gemeindeeigentums laut Verfassungsgerichtshoferkenntnis, weil sonst werden Sie Schwierigkeiten kriegen, wie Sie selbst wissen, wenn es angenommen beim Europäischen Gerichtshof landet. Das war eine Aussage des höchsten Verfassungsrichters (Anmerkung: Präsident Dr.Gerhart Holzinger) mir gegenüber. Ich wollte das nur zur Kenntnis bringen, aber Sie können selbstverständlich eine andere Meinung haben als der Herr Verfassungsgerichtshofpräsident.
Wer stimmt der Dringlichkeit zu? Wer ist dagegen? Da ist keine Dringlichkeit gegeben. (Abg. Ernst: Alle Bürgermeister dagegen! Abg. Dr. Brugger: Bürgermeister gegen die Gemeinden! Abg. Ernst: Bürgermeister Bock gegen seine Gemeinde!) Die Zuweisung erfolgt für die Ausschussberatungen zum März-Landtag. Zuweisungsvorschlag: Ausschuss für Rechts-, Gemeinde- und Raumordnungsangelegenhei-ten, Ausschuss für Land- und Forstwirtschaft, Verkehr und Umwelt."
Soweit das Protokoll.

Der Herr Präsident wird wohl gescherzt haben, denn es heißt im Erkenntnis Mieders I
... im Blick auf das Ergebnis aber offenkundig verfassungswidrig. Ist dieser Akt jedoch - wie hier - rechtskräftig geworden, ist Gemeindegut entstanden, das nun atypischerweise im gemeinsamen Eigentum der Gemeinde und der Nutzungsberechtigten steht und als Agrargemeinschaft organisiert ist“.
und im Erkenntnis Mieders II 28.02.2011
Abgesehen davon hat der Verfassungsgerichtshof im Erkenntnis VfSlg. 18.446/2008 bereits ausgesprochen, dass die beschwerdeführende Agrargemeinschaft aus atypischem Gemeindegut hervorgegangen ist“.

Oder, ein schrecklicher Gedanke, sollte er doch nicht gescherzt haben?
Verharmlost er die vom Bauernbund und seinem Schwiegervater politisch gewollte und geplante, von weisungsgebundenen unzuständigen Behörden rechtswidrig durchgeführte, offenkundig verfassungswidrige, gegen das Eigentumsrecht der Gemeinden verstoßende Übertragung des Gemeindegutes, zu einem "atypischen Rechtsübergang"?
Ein Begriff, den der VfGH übrigens nie verwendet hat.
 
Die Kreativität der Begriffsfindung zu "atypischer Rechtsübergang" als Synonym für Verstöße gegen das Eigentumsrecht, als Synonym für Vermögensdelikte, Amtsmißbrauch und Untreue ist bewundernswert. Fälle dieses "atypischen Rechtsübergangs" sind bei der Korruptionsstaatsanwaltschaft anhängig.
Interpretierte er so in Ausübung seines Amtes als hoher Repräsentant des Rechtsstaates in Tirol die "Rechtsanschauung des VfGH, an die die Verwaltungsbehörden gemäß § 87 Abs. 2 VfGG gebunden sind"?
 
 
Wohl nicht, denn die Rechtsanschauungen des VfGH wären seine Pflicht gewesen.

Wie in Landtagskreisen gemunkelt wird, soll er sich in diesem Zusammenhang gegenüber Vizepräsidentin Gabi Schiessling geäußert haben, "der VfGH versuche von einem Fehlurteil zurück zu rudern".
 

Es mag der Wunsch der Vater des Gedankens gewesen sein, aber drei Wochen später sah mit Mieders II das "zurück rudern" so aus:
 
 
 
2.2.2.4. ... dass der Substanzwert ausschließlich der Gemeinde zusteht. Die übrigen Mitglieder der Agrargemeinschaft verfügen demgegenüber in Ansehung des Substanzwerts über keinerlei Rechte. ...
2.2.2.5. Dass … der Substanzwert in den Fällen des § 33 Abs. 2 lit. c Z 2 TFLG 1996 idF LGBl. 7/2010 stets der Gemeinde zugeordnet ist. Dieser Anspruch der Gemeinde auf den Substanzwert des Gemeindegutes stellt aber gleichermaßen eine durch die Eigentumsgarantie geschützte Rechtsposition dar, die auch das subjektive Recht der umfassenden Dispositionsbefugnis über alle vom Eigentumsschutz erfassten Rechte gewährleistet. ... Es ist daher verfassungsrechtlich geboten, den Anspruch der Gemeinde auf den Substanzwert des Gemeindegutes – hier im Wege der Einräumung von Zustimmungs‐ und Einwirkungsrechten – zu wahren, weil ansonsten der Gemeinde die Ausübung ihrer Eigentümerbefugnisse verfassungswidrig vorenthalten werden würde (vgl. VfSlg. 18.446/2008).
2.2.3.2. ... zur Bestimmung der den Substanzwert betreffenden Einnahmen und Ausgaben eine getrennte, insbesondere auch die Kontrolle durch die substanzberechtigte Gemeinde ermöglichende Rechnungslegung verlangt.“
 

Der zitierte höchste Verfassungsrichter muß wohl mißverstanden worden sein.
 

Oder war alles doch nur ein abgründiger Scherz?

Die Moral von der Geschichte: Die Rechte der Gemeinden sind in Tirol nach Meinung der Schwarzmander-Politmehrheit nicht dringlich, die unwiederbringliche Ausplünderung der Gemeindegutssubstanz wird zu einem unvermeidlichen Kollateralschaden auf den verschlungenen, vom Landes-Gesetzgeber verursachten Rechtswegen >schön geredet>.
Die Einhaltung der mittlerweile zahllosen VfGH-Erkenntnisse auf Punkt und Beistrich müsste anders aussehen.
 
 
Das weiß auch unser möglicherweise scherzender Landtagspräsident.