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Die Amtslügner

Am 18. März 2011 wurden fast alle Tiroler Printmedien mit einer ganzseitigen Werbeeinschaltung des Amtes der Tiroler Landesregierung beglückt.
Hier wird, natürlich auf Kosten der Steuerzahler, ein unglaubliches Sammelsurium an Lügen, Verdrehungen  und Halbwahrheiten verbreitet.

Bereits die Überschrift steckt nur mehr ein kleines Fünkchen Wahrheit. Es heißt hier
"Höchstgericht bestätigt Tiroler Weg bei den Agrargemeinschaften".
Gemeint ist vermutlich der VfGH, dessen Erkenntnisse nun schon seit 1962 vom Land Tirol ignoriert werden.  Chuzpe ist das passende Wort für diese Aussage. Der "Tiroler Weg bei den Agrargemeinschaften" wurde zum ersten Mal 1954 vom VwGH und 1962 vom VfGH zurückgewiesen. Es folgten die VfGH-Erkenntnisse 1982, 2008, 2010 und 2011 die jeweils den Tiroler Weg höflich ausgedrückt als Irrweg sahen.
Einzig im VfGH-Erkenntnis Mieders
II wurde angemerkt, daß u.a. die von den Agrariern abgelehnten Rechnungskreise in der Gesetzesnovelle verfassungskonform wären. Was wohl das Mindesterfordernis für jedes Gesetzeswerk ist. Daraus einen positiv klingenden "Tiroler Weg" zu stilisieren, ist eine tatsachenverdrehende Frechheit.

"Das Agrargemeinschaftsgesetz ist seit rund einem Jahr in Kraft und setzt das Urteil des  Verfassungsgerichtshofs, wonach den Gemeinden außerlandwirtschaftliche Einnahmen der Agrargemeinschaften zustehen, auf Punkt und Beistrich um.  ...  Erst vergangene Woche hat das Höchstgericht die Qualität des Gesetzes und seine Verfassungskonformität bestätigt."
 

Der VfGH hat nie den Gemeinden nur die außerlandwirtschftlichen Einnahmen der AGs zugesprochen, sondern immer erkannt, dass alle über die Summe der bestehenden Nutzungsrechte hinausgehenden Erträge ausschließlich den Gemeinden zustehen. Also z.B. in Mieming auch die Erträge aus der Bewirtschaftung des unverteilten Waldes. Die Nutzungsberechtigten können nur über die Erträge aus ihren Nutzungsrechten verfügen und sonst nichts. Der kleine semantische Unterschied macht in der Praxis in Tirol mehrere Millionen Euro pro Jahr aus.
Die obige, ständig mantra-artig wiedergekäute Formulierung hat mit Punkt und Beistrich nichts zu tun, sie ist schlichtweg falsch oder nach Strich und Faden erlogen. Zu sagen, die Formulierung "Auch unter diesem Aspekt ist die Regelung des § 36 Abs. 2 TFLG 1996 idF LGBl. 7/2010 verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden." sei eine Qualitätsfeststellung, ist leicht  erkennbar als reine Behauptung entlarvt.

"Die Erträge aus dem Substanzwert ... können jederzeit entnommen werden." 
Zum mantra-artigen Quatsch kommt jetzt noch die Tatsache, dass noch keine Gemeinde in Tirol, auch Mieming nicht, einen Cent gesehen hat.
Keine einzige Agrargemeinschaft in Mieming hat für 2010 Jahresvoranschläge mit den zwei Rechnungskreisen vorgelegt. Der Bürgermeister hat die Jahresabschlüsse 2009 und die Voranschläge für 2010 aller Agrargemeinschaften mit Ausnahme von See-Tabland-Zein über ein halbes Jahr zurückgehalten. Erst danach konnte der Überprüfungsausschuss Einsicht nehmen, die Vorlage der Belegbuchhaltung wurde von den AGs verweigert. Dies als "vollen Einblick" der Gemeinde zu bezeichnen, ist wieder eine glatte Lüge.

"Die Bruttoeinnahmen aller Gemeindegutsagrargemeinschaften belaufen sich auf rund 19 Millionen Euro. ... Die kolportierte Summe von 30 bis 50 Millionen Euro ist für die Behörde in keiner Weise nachvollziehbar."
Die Behörde müßte aber wissen, dass z.B. in Mieming die Teilwaldholzerträge nicht als Einnahmen aufscheinen, dass rechtswidrigerweise  keinerlei Kosten auf die Mitglieder umgelegt werden, daher als Einnahme fehlen, dass Pachteinahmen nur zu geringem Teil über die AG verrechnet werden.  Die Aussage ist daher falsch. Die Behörde hat entweder keine Ahnung oder sie lügt. Siehe auch >Kaffeesudlesen>.

Vom Feinsten ist die Gegenüberstellung
Mythen und Fakten zur Causa "Agrar":

Auf die Ertragssituation wurde bereits im vorigen Absatz hingewiesen.
Die Verwaltung von Agrargemeinschaften durch die Gemeinde ist natürlich möglich. Die behauptete Verfassungswidrigkeit ist schlicht Unfug.

"Das Höchstgericht bestätigt mit Erkenntnis vom 28.02.2011 die Verfassungskonformität des praxistauglichen Gesetzes."
Die Beifügung "praxistauglich" ist eine der bereits üblichen sinnverdrehenden und hinterhältigen Darstellung der Problematik. Das Land Tirol hetzt durch die unklaren Bedingungen und Durchführungsbestimmungen Gemeinden und Agrargemeinschaften in Klagslawinen. Verlagert jetzt  als Hauptschuldiger der Misere die Aufräumungsarbeiten der größten Politgaunerei der jüngeren Geschichte Tirols auf die Gemeinden und die kleinen Agrargemeinschaftsmitglieder.  Ein umsichtiger Gesetzgeber hätte dies vermieden.

"Bürgermeister machen sich strafbar, wenn sie Bescheide nicht bekämpfen".
Das ist so gesagt natürlich ein Unfug. Ein Bürgermeister macht sich nur strafbar, wenn er es in pflichtwidriger Weise unterläßt, das Wohl der Gemeinde zu vertreten. Natürlich muß er auch gegen Bescheide auftreten, wo bereits die Behörde entgegen den klaren VfGH-Erkenntnissen die Rechte der Gemeinde am Substanznutzen schmälert. Das ist die gesetzliche Pflicht des Bürgermeisters.

"Es steht Gemeinden und Gemeindegutsagrargemeinschften frei, sich zu einigen."
Ein NoNa-Satz, diese Möglichkeit hat immer schon bestanden, aber sie kann natürlich keine Bedingung sein. Sie kann schon überhaupt nicht eine Begründung für Bürgermeister und Mandatare sein, gegen das Gemeindewohl zu arbeiten.

"Volle Transparenz und gesetzliche Informationspflicht zugunsten der Gemeinden"
Das ist eine der unverschämtesten Lügen in diesem Text. In Mieming konnte erst eine Agrargemeinschaft ordnungsgemäß geprüft werden. Die Prüfung der anderen wurde verzögert und die Buchhaltungs-Unterlagen wurden nicht vorgelegt. Soweit die Praxis. Die Landesrichtlinien im Merkblatt des Landes Tirol besagen:  
"Die in dieser Bestimmung angeführten Organe der Gemeinde, denen das Einsichtsrecht zukommt, sind zum einen der nach § 35 Abs. 7 TFLG 1996 entsandte Vertreter der Gemeinde und zum anderen der Bürgermeister als das nach der TGO zur Vertretung der Gemeinde nach außen berufene Organ. Sonstigen Gemeindeorganen wie dem Gemeinderat oder dem Überprüfungsausschuss kommt kein Einsichtsrecht zu."
Der VfGH sagt jedoch im Erkenntnis Mieders II dazu ganz klar:
2.2.3.2.  ... der Gesetzgeber zur Bestimmung der den Substanzwert betreffenden Einnahmen und Ausgaben eine getrennte, insbesondere auch die Kontrolle durch die substanzberechtigte Gemeinde ermöglichende Rechnungslegung verlangt.
Diese Kontrolle muß klarerweise so ausgeübt werden, wie beim gesamten Gemeindevermögen im eigenen Wirkungsbereich. Genau das verhindert das Land Tirol.
 
Der Expertenkommentar von Prof. Dr. Karl Weber:
Die Aussagen Prof. Webers sind an seinem Gutachten für das Land Tirol zu messen:
"V. Punkt 1. ... Für den Bereich der land- und forstwirtschaftlichen Nutzung stehen den Gemeindegutsagrargemeinschaften die Erträge vollumfänglich zu."  heißt es hier und er steht damit im klaren Gegensatz zum VfGH, der mehrfach, zuletzt in Mieders II postuliert:
"2.2.2.3. Im Erkenntnis VfSlg. 18.446/2008 wurde ausgesprochen, dass der über die Summe der Nutzungsrechte hinausgehende Substanzwert des Gemeindegutes der Gemeinde zusteht"
und
"2.2.2.4.  ...  dass der Substanzwert ausschließlich der Gemeinde zusteht
also, den Nutzungsberechtigten stehen ihre verbücherten Nutzungsrechte zu und sonst nichts. Der semantische Unterschied bedeutet, wie bereits oben ausgeführt, viele Millionen für die Gemeinden. Wie Prof. Weber mit seiner wissenschaftlichen Reputation umgeht, ist seine Sache. Es steht ihm aber sicher nicht zu, durch ein bezahltes Auftrags-Gutachten den Gemeinden zu schaden. Wie es auch pflichtwidrig, willkürlich und mißbräuchlich von den Behörden des Landes Tirol ist, sich an Gutachten an Stelle der geltenden Judikatur zu orientieren.

Zum Existenzrecht der AGs:
Kein Land der Welt, nicht die Republik Österreich, nicht das Land Tirol und schon gar nicht eine Gemeinde kann z.B. einem Handwerksbetrieb oder irgend einem Menschen eine Existenzgarantie geben. Warum sollte dies ausgerechnet für die Gemeindegutsagrargemeinschaften aus den VfGH-Erkenntnissen herauszulesen sein? Das ist eine rechtliche Schimäre,  bestenfalls eine Wunschvorstellung Steixners und des Bauernbundes.

"Ein Jahr, zwölf Mitarbeiter, 226 Verfahren"
"Die Agrarbehörde hat aber auch die Aufsicht über die Agrargemeinschaften und überwacht die Haushaltsführung."
Wiederum glatt gelogen. Die Überwachung beschränkt sich darauf, das Einlangen der Jahresrechnungen festzuhalten und Vorhandensein von Stempel und Unterschrift der Gemeinde zu überprüfen. Eine Kontrolle der Rechtmäßigkeit von einzelnen Ausgaben, der Vollständigkeit der Buchungen, der rechtmäßigen Zuordnung in die Rechnungskreise findet laut Auskunft der Behörde nicht statt.

"Die Behörde greift durch":
Ja, für Mieders wurde ein Sachwalter bestellt. Die Beschwerde dagegen hatte aufschiebende Wirkung. Das dauerte dann sechs Monate. Der Sachwalter hatte fast keine Befugnisse. So schaut's aus. Ein Alibi-Durchgriff.

"Wichtige Waldpflege"
Die Waldpflege ist zweifelsohne wichtig und wird in ganz Österreich unter Anleitung der Forstbehörden hochgefördert durchgeführt. Nicht nur im Bereich der Gemeindegutsagrargemeinschaften. Von annähernd zwei Dritteln der Nutzungsberechtigten wird diese Pflege nicht mehr selbst durchgeführt, sie wird fremd vergeben. Für diesen Weg braucht man keine Gemeindegutsagrargemeinschaft. Fremd vergeben kann die Gemeinde auch. Die Realität wird hier verdreht. Diese Nutzungsrechte sind zu löschen.

Es ist insgesamt ein unglaubliches Sammelsurium von Lügen, Verdrehungen  und Halbwahrheiten. Auf Kosten der Steuerzahler vom Amt der Tiroler Landesregierung in den Printmedien verbreitet .
Es ist eine Schande, was hier den Bürgern vorgegaukelt wird.