Aktuelles

NS-Regulierungen in Osttirol – Raggl und Steixner agieren systemkonform mit Unwahrheiten, Leugnen und Beschönigen.

Aktualisiert am 21.06.2012, 21:05
Nach einer Woche Nachdenkpause, war die Verhaltensweise des Schwarzmander-Bauernbundes geklärt. Raggl: „Kärntner Landesarchiv hat keine Unterlagen zu den Osttiroler Agrargemeinschaften“ so liest man in einer Bauernbund-Presseaussendung.
>> Bauernbund-Presseaussendung NS-Regulierungen>>

"Die so genannten Haller’schen Urkunden heizen die Agrardebatte in Osttirol an. Die Nazi’s sollen für die Einrichtung vieler Agrargemeinschaften in Osttirol verantwortlich sein, glaubt ein Gemeinderat aus Mieming. Sogar zwei Landtagsabgeordnete unterstützen diese Argumentation. „Der Nazi-Vergleich ist eines Politikers unwürdig – egal ob Gemeinderat oder Landtagsabgeordneter. Die Situation muss man differenziert betrachten. Verallgemeinerungen zum Thema Agrargemeinschaften sind sowohl in Nord- als auch in Osttirol unzulässig. Dazu reicht ein Blick in die Geschichte“, erklärt dazu Bauernbunddirektor Peter Raggl. Auch die Agrarbehörde des Landes spricht von keinen neuen Erkenntnissen."

Der unwürdige Vergleich sieht so aus:
Dr. Haller berichtet an den Landesstatthalter von Kärnten am 31.12.1941 auf Seite 14:
„Weiters berief die Agrarbezirksbehörde, nachdem sie vorher das Einvernehmen mit der Oberen Gemeindeaufsichtsbehörde hergestellt hatte, eine Besprechung der in Frage kommenden Behörden und Dienststellen bei der Kreisbauernschaft Lienz ein.“
Geist dieser Organisation und Ort der Besprechung erschließen sich aus dem Briefkopf.
Bei dieser Besprechung ist „von allen Teilnehmern zum Ausdruck gebracht worden, dass die Überführung aller ehemaligen Fraktions- und Gemeindegüter in das Eigentum von körperschaftlich eingerichteten Agrargemeinschaften (Nachbarschaften) durch die Agrarbehörde die beste und zweckmäßigste Lösung sei. ...“

Daraus geht klar hervor, dass die Behörde selbst die Initiative ergriff und versuchte, das gesamte Gemeinde – und Fraktionsgut, flächendeckend für Osttirol, ins Eigentum von Agrargemeinschaften zu übertragen. Das gab es vorher nirgends und das war wohl auch nur im NS-Regime möglich.
Der „Vorabkonsens“ entlarvt alles als Pseudorechtsstaatlichkeit.
Dr Haller gibt in diesem Bericht ja auch ganz offen zu, dass die „umständlichen“ Hauptteilungen nur durchgeführt wurden, um das vorher schon feststehende Ziel ohne Kompetenzkonflikt mit der Oberen Gemeindeaufsichtsbehörde erreichen zu können. Die sogenannten „Anerkenntnisse“ werden als Maßnahme zur Erreichung des von Dr. Haller angestrebten Ziels beschrieben, alle Gemeinde- und Fraktionsgüter ins Eigentum von Agrargemeinschaften zu übertragen.

Einzelne Versuche wie >>Gaimberg 1905>> hat es schon immer gegeben. Sie sind bekannt und judiziert.
Der flächendeckende Behördenversuch ist jedoch absolut neu.
Fazit: Dr. Raggl weiß eigentlich gar nicht, wovon er redet. Ein zweiter Blick in die Geschichte würde sein oberflächliches Schwarzmander-Geschichtsbild vertiefen.

Steixner „wehrt sich dagegen, die Agrargemeinschaftsdebatte politisch mit NS-Vorgehensweisen zu verknüpfen. Die Frage, ob diese Übertragungen in Osttirol rechtmäßig waren, wird 70 Jahre danach bereits vom Verwaltungsgerichtshof überprüft. Zwei Fälle sind anhängig.“
>>TT 2012 06 16>>

Nach 70 Jahren wird „bereits“ geprüft! Zwei Fälle von 113. Man muss sich das auf der Zunge zergehen lassen. Der einzige Beitrag der Landesverwaltung dazu waren verordnete Verfahrensaussetzungen, die eigentlich nur dafür dienen sollten, möglichst kein Verfahren zum VwGH gelangen zu lassen. Und im Landesparlament wird von den Schwarzmandern nur blockiert. So wie der einleitend genannte Dringlichkeitsantrag.
 
70 Jahre lang haben die Schwarzmander in Kenntnis der Situation die Augen zu gemacht. Zum Nutzen ihres Klientels.
Jetzt werden Historiker beschäftigt.
Eine historische Aufarbeitung dieses dunklen Kapitels in der Osttiroler Geschichte ist sicher wissenschaftlich sehr wertvoll, vermag aber nichts daran zu ändern, dass das Unrecht, das den Gemeinden - während und nach dem Krieg - widerfahren ist,  rechtlich sauber aufzuarbeiten ist. Das ist eine demokratische und rechtsstaatliche Verpflichtung.
Es darf in diesem Zusammenhang daran erinnert werden, dass der VfGH und der VwGH in zig Entscheidungen die von RA Dr. Oberhofer angebotene rechtshistorische Beweisführung verworfen und vielmehr auf den Grundbuchsstand zum Zeitpunkt der Regulierung abgestellt haben.
>>TT 2012 06 20>>

Das generalstabsmäßig geplante und ausgeführte Nazi-Unrecht schreit geradezu nach einer Lösung durch den Gesetzgeber. Wie es ja bezüglich einiger Untaten aus dieser Zeit geschehen ist.
Intuitiv hat im März der Osttiroler Mag. Gerald Hauser mit seiner FPÖ beim Aufflackern der Diskussion zu den Haller'schen Regulierungen in Osttirol in einem Dringlichkeits-Antrag an den Landtag verlangt, das schwere Unrecht müsse vom Gesetzgeber gelöst werden. Nur der Gesetzgeber kann ein derart massives Unrecht dadurch wieder ordnen, dass er der Vollziehung die entsprechenden klaren Aufträge in Gesetzesform gibt. Ohne jeden Interpretationsspielraum. 
>>Dringlichkeitsantrag FPÖ>>
 
Der lobenswerte Ansatz reiht sich in jene Forderungen ein, die vom Gemeindeverband und den anderen Oppositionsparteien erhoben wurden und die schlussendlich in der gesetzlichen Rückübertragung des Gemeindegutes an die Gemeinden gipfeln. Es ist der richtige Hebel.
Höchstgerichte sind primär nur Prüfungsinstanzen von Einzelentscheidungen der Behörden, sie können inhaltlich nichts neu machen. Neues ist entsprechend der Gewaltenteilung in unserer Verfassung allein die Aufgabe des Gesetzgebers.
Der Handlungsbedarf des Landesgesetzgebers war auch in der gemeinsamen Pressekonferenz am vergangenen Donnerstag die klare Aussage von Georg Willi und Dr. Brugger.
>>Presseaussendung Grüne-Liste Fritz>>
>>NS-Regulierungen zeigen neue Dimension>>

„Auch die Agrarbehörde des Landes spricht von keinen neuen Erkenntnissen.“
Das stimmt so. Die Behörde war seit Anfang 1948 vollumfänglich informiert.
Aber das Osttiroler Unrecht wurde bis dato geleugnet und scheint in den Landesstatistiken zu Gemeindegutsagrargemeinschaften nicht auf.
Und Raggl leugnet weiter.
 
Selbst beim Beispiel Agrargemeinschaft Asch mit Winkl kann Raggl nicht bei der Wahrheit bleiben:
Im Bericht Hallers heißt es dazu:
„Die Gemeinde Anras hat laut Niederschrift vom 24.11.1938 die agrargemeinschaftlichen Grundstücker der Ortschaften … Asch mit Winkl … mit der Begründung übernommen, daß diese Ortschaften Einrichtungen gemeinderechtlicher Art seien, die mit der Einführung der D.G.O. Aufgelöst worden sind. Im Grundbuch wurde auf Grund dieser Niederschrift hierauf das Eigentumsrecht für die Gemeinde Anras einverleibt. …
Bei der Überprüfungsverhandlung am 20. Oktober 1941 erklärten die Nutzungsberechtigten, daß die Nutzungen an den agrargemeinschaftlichen Grundstücken nicht als Nutzungen vom Fraktionsgut im Sinne der Gemeindeordnung anzusehen waren und die seinerzeitige Übernahme der Verwaltung dieser Grundstücke durch die aufgelösten Fraktionen nicht richtig war, da diese Grundstücke Eigentum von Agrargemeinschaften waren, weshalb die Rückübergabe der Grundstücke an diese Agrargemeinschaften verlangt wurde.
Der Bürgermeister erklärte sich mit der Übertragung der Alp- und Weidegrundstücke sowie der Teilwälder ins Eigentum der Agrargemeinschaft einverstanden, während die nichtverteilten Gemeinschaftswälder als Gemeindevermögen der Gemeinde erhalten bleiben müßten. ...“
Wenn Raggl nun sagt: „Nach Genehmigung dieser Niederschrift durch die Gemeindeaufsichtsbehörde wurde im Grundbuch der Stand vor 1938 wiederhergestellt und das Eigentum der Agrargemeinschaft Asch mit Winkl eingetragen.“,
dann ist das eine glatte Unwahrheit, denn der Grundbuchstand vor 1938 lautete auf die Fraktionen und Ortschaften. Die Nutzungsberechtigten selbst führten aus, „daß die seinerzeitige Übernahme der Verwaltung dieser Grundstücke durch die aufgelösten Fraktionen nicht richtig war.“ Das heißt aber auch, daß der Stand der Grundbuchanlegung von 1903 korrigiert wurde, nicht die Rechtsnachfolge der Gemeinden.
Es wurde Fraktionsgut in die Hände der Nutzungsberechtigten verschoben. Das ist keine "Wiederherstellung", die Gemeinde als Rechtsnachfolger wurde ersatzlos enteignet.
Raggl erzählt allen bewußt das Gegenteil.
 
Die grundbücherliche Wahrheit ist ihm ebenso "wurscht" wie der VfGH:
Zur Zuordnung des Fraktionsguts darf auf das VfGH Grundsatzurteil 1982 hingewiesen werden:
„Sofern die Tir. Landesregierung mit ihrem Hinweis auf den Umstand, daß es sich im Anlaßfall nicht um Gemeindegut, sondern nur um Fraktions- oder Ortschaftsgut handeln könne, eine Einschränkung der Aufhebung auf die Worte "bzw. ehemalige Ortschafts- oder Fraktionsgut" erwirken will, übersieht sie, daß das Gemeinderecht seit der Einführung der Deutschen Gemeindeordnung mit 1. Oktober 1938 Ortschaften und Fraktionen innerhalb der Gemeinde nicht mehr kennt und daß die Gemeinde Rechtsnachfolgerin dieser Einrichtungen ist (ArtII §1 der Verordnung GBlÖ Nr. 408/1938; vgl. dazu VfSlg. 4229/1962 und für Tir. zB das Erk. des Obersten Agrarsenates v. 2. März 1966, 43-OAS/66), weshalb die Erwähnung dieser Erscheinung im Flurverfassungsrecht nur mehr erläuternden Charakter hat (den das Beiwort "ehemalige ..." im TFlVG auch zum Ausdruck bringt) und mit dem Begriff Gemeindegut in untrennbarem Zusammenhang steht.“
Übrigens, im Reiseplan Dr.Hallers waren für die Verhandlungen mit der Gemeinde Anras und die Gründung von zumindest drei Agrargemeinschaften vier Stunden, inklusive die Zeit für Mittagessen und Reise zum nächsten Ort, eingeplant. Reicht doch, oder?
>>Reiseplan>>
Der Mann ist peinlich. Einzig die offizielle Haltung des Schwarzmander-Bauernbundes, der sich einmal mehr massiv gegen die Verfassung und den Rechtsstaat wendet, ist unwürdig. Sie haben moralisch abgewirtschaftet.

Der Geist, der nach 1945 im Lande wehte, ist wohl am Besten durch Alois Grauß (1890–1957), Landeshauptmann von Tirol, beschrieben:
Er dozierte im Jungbürgerbuch 1957 unter dem Titel
Der Bauernstand, der Blutquell des Volkes:
[…] solange die Städte in den weichenden Bauernsöhnen und -töchtern ihre Geistes- und Blutauffrischung holen, um nicht der Degeneration oder Invasion heimatloser Menschen zu verfallen; […] solange wir brave Bauernmütter und eine ideale Bauernjugend haben – so lange ist unser Reichtum größer als unsere Not, solange braucht die Welt den Bauernstand und bleibt Tirol in Bauernhand!“
 
Agrarlandesrat zu dieser Zeit war Eduard Wallnöfer.
Bei meiner Ehr'.

Aktuell
>>Kleine Zeitung 21.06.2012>>

>>Kleine Zeitung 22.06.2012>>