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Staatsanwaltschaft Innbruck: Die Gleichern dürfen sich bereichern
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- Published: Sunday, 10 September 2017 10:47
Die Verfahrenseinstellung ist nicht erklärbar. Die Staatsanwaltschaft Innbruck schiebt die höchstgerichtliche VwGH-Judikatur zu Agrargemeinschaften und zur agrarbehördlichen Aufsicht in Tirol einfach beiseite und bezieht sich auf eine Entscheidung des OLG Wien.
Nach Auffassung der Staatsanwaltschaft Innsbruck, liegt es im autonomen Wirkungsbereich einer Agrargemeinschaft, einer Körperschaft öffentlichen Rechts wohlgemerkt, die Verwandten einzelner Mitglieder unverhältnismäßig zu begünstigen. Zum schweren Schaden der Agrargemeinschaft und ihrer Mitglieder, bei Gemeindegutsagrargemeinschaften zum Schaden der örtlichen Gemeinde.
Der Staatsanwaltschaft sind alle maßgeblichen höchstgerichtlichen Erkenntnisse des für solche Fragen allein zuständigen VwGH vorgelegen. Diese Erkenntnisse besagen in nicht zu überbietender Deutlichkeit, was eine Agrargemeinschaft ist und welche Regeln von diesen bei der Verwaltungs- und Wirtschaftsführung einzuhalten sind. (VwGH: Verpflichtung für zweckmäßige Bewirtschaftung des Gemeinschaftsvermögens - keine Berufung auf die "Autonomie" der Agrargemeinschaft - Erkenntnis vom 26. Februar 2004, Zl. 2001/07/0180). Allein daran hätte sich eine Staatsanwaltschaft bei ihren Beurteilungen halten müssen. Die Erkenntnisse werden aber in der Einstellungsbegründung nicht einmal erwähnt.
Die Auslegung der Staatsanwaltschaft führt jedenfalls zu einer gesetzlosen Autonomie der Agrargemeinschaften, die so nicht existiert. Das Verhalten der Beschuldigten wird unter diesem konstruierten Schutzmantel als strafrechtlich „nicht relevant“ eingestuft. Diese vermeintliche Autonomie ist aber nicht nur als ein Feigenblatt für die Vergangenheit, sondern auch als ein Freibrief für künftiges ungesetzliches Handeln der „Mirfirins“-Fraktionen zu sehen.
Die Staatsanwaltschaft liest die in den Statuten festgelegte Pflicht, die Agrargemeinschaft wirtschaftlich zu führen, als „nicht auf Gewinn ausgerichtet“. Sie folgert dann daraus das Recht des Vorstandes, die Verwandten eines einzelnen (!) Mitgliedes exorbitant zu bereichern und damit der Agrargemeinschaft und allen anderen Mitgliedern zu schaden. Aus der Pflicht zur wirtschaftlichen und pfleglichen Führung wird ein Pouvoir des Vorstandes, der von ihm verwalteten Körperschaft öffentlichen Rechts Schaden zuzufügen.
Das ist nicht nur nicht nachvollziehbar, sondern grober juristischer Unfug.
>>€ 650 000.- für einen Gleichern>>
>>... und sie schämen sich nicht>>
>>Sachverhaltsdarstellung Ergänzung>>
Die Entscheidung ist sachlich nicht erklärbar und führt zwangsläufig zur Frage nach Hintergründen. Der interessierte Beobachter könnte eine akkordierte „Schwamm drüber – Politik“, eine Art von Klassenjustiz in Tirol vermuten.
Die Causa Langkampfen führte immerhin noch zu einem Gerichtsverfahren. Obwohl der Richter einen „klassischen Fall“ von Untreue konstatierte, kam es mangels Wissentlichkeit zu keiner Verurteilung. Es wurde unterstellt, dass die Beklagten ihr Tun nicht erfasst hätten.
Bei den Almförderungen lag eine Verurteilung durch den europäischen Gerichtshof wegen Förderungsbetruges vor. In vielen Fällen haben Agrargemeinschaften als Körperschaften öffentlichen Rechts in Tateinheit mit der Landwirtschaftskammer, ebenfalls eine Körperschaft öffentlichen Rechts, die inkriminierten Förderungsanträge gestellt. Eine fortführende Untersuchung durch die Staatsanwaltschaft wegen Betruges wurde nicht bekannt. Mehr noch, der Landwirtschaftsminister hat alles getan, um etwaige Strafzahlungen abzuwenden.
Fälle zu den Agrargemeinschaften Schlaiten oder Axams wurden ebenfalls eingestellt. Wie so manches andere mehr.
Die Tiroler Volkspartei hat im letzten Landtagswahlkampf mit Plakaten vor „italienischen Verhältnissen“ in Tirol gewarnt. Es sei in Erinnerung gerufen, dass italienische Staatsanwälte bei auftretenden Verdachtsmomenten Bürgermeister, sogar Ministerpräsidenten und Landeshauptleute vor Gericht zitiert haben.
Dieses grundsätzlich unabhängige Verhalten kann man sich im Schwarzmander-Tirol eigentlich nur schwer vorstellen.