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Nachbarschaften - gewolltes Missverständnis für behördlichen Missbrauch
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- Published: Sunday, 09 March 2014 22:35
Der Begriff Nachbarschaften ist im Zusammenhang mit dem Gemeindegut und der Grundbuchanlegung zu einem Synonym für Fehlinterpretation, Begriffsverwirrung, Desinformation und behördlichen Fehlentscheidungen denunziert worden. Die gesetzliche Grundlage ist jedoch denkbar klar, sie wird in der Bestandsaufnahme des Gemeindegutes durch den Gemeindeverband ebenso verständlich wie sichtbar und lässt sich in der präzisen Durchführung durch die k.k. Grundbuchanlegungsgerichte eindeutig und zweifelsfrei nachvollziehen.
Die Verordnung der Ministerien für Justiz, des Ackerbaues und der Finanzen vom 10. April 1898 definiert bereits im Einleitungssatz des § 34 die zwei Möglichkeiten der Zuordnung des Eigentums.
„Zwischen bloßen Nutzungsrechten am Gemeindegute und Eigenthumsrechten ist sorgfältig zu unterscheiden.“
Die Eintragung der Eigentumsrechte, im Wesentlichen immer Miteigentumsrechte, ist exakt beschrieben:
„Sobald sich die Quoten des Miteigenthumsrechtes nicht bestimmen lassen, insbesondere in dem Falle, dass jeder berechtigte Hof nur nach Maßgabe seines wirtschaftlichen Bedürfnisses nutzungsberechtigt ist, muss das Eigenthum für eine juristische Person, z.B. die Nachbarschaft N., bestehend aus diesen und jenen bestimmt anzuführenden geschlossenen Höfen, eingetragen werden.“
Also, es gab nur zwei Möglichkeiten der Eintragung, da nur zwischen bloßen Nutzungsrechten am Gemeindegute einerseits oder Miteigentum am Besitz selber andrerseits unterschieden wird. Bei Hinzufügung und Eintragung der Miteigentumssituation im Grundbuch ist der Name der juristischen Person für die rechtliche Einordnung gar nicht mehr weiter von Bedeutung.
Der jeweiligen Eintragung lag ein Beschluss der Grundbuchanlegungskommission unter Leitung eines vom OLG nominierten Richters zu Grunde, der in den Grundbuchanlegungsprotokollen wiedergegeben ist. Dies war keinesfalls, wie vielfach behauptet, die Einzelentscheidung eines einzelnen Grundbuchbeamten.
Nach Durchsicht von 2.346 agrarisch genutzten Einlagezahlen in allen Grundbuchgerichten Tirols kann man feststellen, dass diese Verordnung ohne jeden Abstrich penibelst umgesetzt wurde.
Beispiele
Gemeinde 85107-77a , Fraktion 85210-22a, Nachbarschaft ag 85210-9a, Nachbarschaft gd 81109-42a , Interessentschaft 81123-291a
Interessentschaft ohne Namen mit Quote 85107-103a, Gemischte Interessentschaft 80110-487a
Schon aus dem Umstand, dass die Mehrzahl von Miteigentumsgemeinschaften, wo bereits bei Grundbuchanlegung genaue Quoten feststanden, keine Gebiets-Bezeichnung bei der Einlagezahl enthielten, kann man schließen, dass die Bezeichnung für den Akt der Eigentumsfeststellung durch die Grundbuchanlegungskommissionen nicht entscheidungsrelevant war.
Wesentlich war, wie im § 34 als „Muss“-Bestimmung vorgesehen, wenn möglich durch geeignete Urkunden die Feststellung einer Miteigentumsquote, wenn nicht, dann Vorgabe einer Bezeichnung, einer juristischen Person, und Eintragung der berechtigten geschlossenen Höfe. Die Bezeichnung als „Interessentschaft“ oder „Nachbarschaft“ oder „Fraktion“ war für die Eintragung von Miteigentumsrechten im Grundbuch ohne Bedeutung. Der § 34 wurde von den Grundbuchanlegungskommissionen fehlerfrei umgesetzt.
1.531 km² wurden von den Grundbuchanlegungskommissionen für Miteigentumsgemeinschaften in den Grundbüchern eingetragen. Ein kleinerer Teil, Miteigentumsrechte mit genauen Quoten, wurde durch Urkunden belegt. Der größere Teil, Interessentschaften, Nachbarschaften mit Benennung der miteigentumsberechtiget Stammsitzliegenschaften hat als Begründung die „Ersitzung“, Urkunden konnten nicht beigebracht werden. Was letztlich jeweils auch eine politische Entscheidung war.
Vermeintliche Fehler wurden erst in der Folge konstruiert.
Einen erschütternden Überblick dazu gibt das vom Land Tirol unter eher dubiosen Begleitumständen beauftragte Gutachten des Prof. Dr. Roman Sandgruber.
Auszug des Gutachtens zu den Haller’sche Urkunden ab Seite 16
„Die ehemals salzburgischen Gebiete Osttirols
Anders als bei den Brixener Wäldern waren die Rechtsverhältnisse bei den ehemals Salzburger Wäldern. Während die fürstbischöflich Brixener Wälder, die nach dem Reichsdeputationshauptschluss zugunsten des Landesfürsten eingezogen worden waren, 1833 der fürstbischöflichen Mensa zurückerstattet worden waren, war das hinsichtlich der ehemals Salzburgischen Gebiete in Osttirol nicht der Fall. Sie wurden von der Waldzuweisungskommission als Staatswaldungen behandelt. Die später festgestellte große Unzufriedenheit im Gerichtsbezirk Matrei dürfte damit zusammenhängen.
Um die vielen Sondergebiete in der KG Matrei-Land, die als Eigentum der Gemeinde ins Grundbuch eingetragen wurden, obwohl sie nach dem Protokoll der Waldzuweisungskommission vom 20. März 1851 zufolge einer Urkunde des Stiftes Salzburg vom 16. Juni 1544 alte Nachbarschaften waren, gab es viel Streit.
Bezüglich der Matreier Gemeindewälder führte die Tiroler Landesregierung mit Schreiben vom 30. Juni 1923 (Zl. 1287/I-III) aus: „Die Waldrechtsverhältnisse in der Gemeinde Matrei-Land sind äußerst verworren, was damit zusammenhängen dürfte, dass die früher staatlichen Waldungen auf Grund der allgemeinen Waldzuweisungen der Gemeinde ins Eigentum übertragen worden sind, ohne dass die nicht der Gemeinde als solcher, sondern den einzelnen Fraktionen, Rotten etc. seit jeher zustehenden und durch die Waldzuweisung nicht berührten Einforstungsrechte festgestellt worden sind. Folge davon ist, dass die größte Rechtsunsicherheit eingerissen hat, dass fortwährend Beschwerden wegen angeblicher Rechtsverletzung einlaufen und dass darunter auch die Interessen der Forstpolizei und Waldpflege arg leiden.“
3. Die Grundbuchsanlegung in Tirol (Osttirol)
Das Problem der unklaren Differenzierung zwischen Gemeinde- und Gemeinschaftsgütern gab es in nahezu allen Kronländern im späten 19. Jahrhundert, in Böhmen und Niederösterreich, in Kärnten, in Küstenland und Dalmatien, in der Bukowina, in Salzburg und Tirol.
Auf dringendes Insistieren der Landtage insbesondere von Niederösterreich und Kärnten hat der Reichsgesetzgeber im Jahr 1883 auf diesen Missstand reagiert und mit dem Reichsrahmengesetz vom 7. Juni 1883, RGBl. Nr. 94, betreffend die Teilung gemeinschaftlicher Grundstücke und die Regulierung der darauf bezüglichen gemeinschaftlichen Benützungs- und Verwaltungsrechte einen rechtlichen Rahmen für die reformatorische Gestaltung der Rechtsverhältnisse am Gemeinschaftseigentum in agrargemeinschaftlicher Nutzung geschaffen.
Die nötigen Ausführungsgesetze in den Ländern als Grundlage konkreter Maßnahmen wurden sukzessive über den Zeitraum von 1884 bis 1921 geschaffen, für die gefürstete Grafschaft Tirol am 19. Juni 1909 LGBl 61/1909.
Die Anlegung des Grundbuchs geschah in Tirol extrem spät erst ab dem Jahr 1897 und zog sich bis in die 1920er Jahre hin. Es wurde früh bemängelt, dass sich die Grundbuchskommissäre hinsichtlich des gemeinsamen Eigentums und Gemeindeeigentums nicht eindeutig auf den Eigentümer (Fraktion, Ortschaft, Nachbarschaft) festzulegen vermochten. In manchen Gemeinden wurden die nutzungsberechtigten Bauern als sogenannte Interessentschaft oder Nachbarschaft als Eigentümer eingetragen, in anderen Fällen erfolgte die Eintragung zu Gunsten einer Fraktion, einer Katastralgemeinde oder der Stammsitzliegenschaften. Es war nicht klar und ist bis heute nicht geklärt, ob und welche unterschiedlichen Rechtsverhältnisse sich in jedem Fall dahinter verbargen. Das hatte recht bald Konflikte und Unstimmigkeiten zwischen Berechtigten und Gemeinden über Widersprüchlichkeiten zwischen geschichtlicher Realität und Grundbuchseintragung zur Folge.
Wie die Tiroler Landesregierung Anfang der 80er Jahre des 20. Jahrhunderts im Gesetzesprüfungsverfahren VfSlg 9336/1982 festgestellt hatte, waren die Grundbucheintragungen bei den Gemeinschaftsliegenschaften nur bedingt als richtig anzusehen: „Bei der Grundbuchsanlegung wurde einmal die Gemeinde, dann wieder eine Nachbarschaft, eine Fraktion, eine Interessentschaft, die Katastralgemeinde oder die Berechtigten als Miteigentümer eingetragen. Es lag allein im Gutdünken des zuständigen Grundbuchsbeamten, welchen Ausdruck er verwendete.“ Die Vielfalt der Eintragungen demonstriert Kohl am Beispiel der KG Prägraten: Fraktion, Weide-, Schwaig-, Alpenwald-, Säge-Stierfleck -Genossenschaft, Nachbarschaft, Gemeinde, in diesem Fall Gemeinde Schlaiten, oder Gemeinde Virgen ohne Fraktion Mitteldorf.“
Dazu die Fakten aus den Hauptbüchern des Grundbuches – bitte die links anwählen:
Weide- Genossenschaft 85105-147a, 85105-167a, Schwaig- Genossenschaft 85105-162a, Alpenwald Genossenschaft 85105-134a, Nachbarschaft agr. 85105-140a, 85032-51a, Forstlehenmoos-Genossenschaft 85105-158a, Stierfleck –Genossenschaft 85105-206a,
Beispiele Miteigentum ohne Bezeichnung mit Quote, mit Urkunden belegt: Virgen 85108-285a, 85108-256a, Matrei 85103-266a etc.,
Diese Art der Miteigentumsgemeinschaften wurden in der gesamten Agrar-Diskussion niemals bestritten. Die oben angeführten Beispiele dienen nur als Verwirrspiel und dem Nebelwerfen.
sogar Haller hat dazu ein Beispiel geliefert 85105-284a, allerdings wurde das Eigentum der Gemeinde genommen.
Diese Art der Miteigentumsgemeinschaften wurden in der gesamten Agrar-Diskussion niemals bestritten. Die oben angeführten Beispiele dienen nur als Verwirrspiel und dem Nebelwerfen.
sogar Haller hat dazu ein Beispiel geliefert 85105-284a, allerdings wurde das Eigentum der Gemeinde genommen.
Gemeinde:
Gemeinde Virgen ohne Fraktion Mitteldorf 85105-149a, Gemeinde Virgen 85108-186a, Gemeinde Schlaiten 85105-151a, 85032-31a, Fraktion: 85105-110a, 85105-111a, 85105-112a,
Gemischtes Eigentum 85105-207a
Die beiden letzten Absätze im Sandgruber-Text enthalten einerseits die ungeheuerliche Denunziation der k.k. Grundbuchkommissäre als unfähig und andrerseits die offenkundige Verdrehung der Wahrheit, dass ein einzelner Grundbuchbeamter für eine Eintragung zuständig gewesen wäre. Diese Aussagen implizieren auch, dass der Gemeindevorstand, die gewählten Vertreter der Betroffenen und der bäuerliche Standesvertreter zu dumm waren, die Rechte der Bauern zu vertreten.
Dem Mitglied der Akademie der Wissenschaften erschien es ebenso offensichtlich nicht als opportun, die glasklare Zurückweisung der Stellungnahme der Tiroler Landesregierung durch den VfGH im zugehörigen Erkenntnis von 1982 zu erwähnen.
Ungeprüfte Zitate aus der Sekundärliteratur, in diesem Fall die Hinweise auf Prof. Kohl, sind ebenso unverständlich.
Die historische Wahrheit ist, die Grundbuchanlegungskommissionen des OLG Innsbruck haben die Eigentumsfragen unter Anhörung der Betroffenen sowie deren Standesvertretern entschieden und die Entscheidung in einem Grundbuchanlegungsprotokoll niedergelegt. Diese Protokolle sind die Basis für die Grundbucheintragungen.
Dazu als Muster ein Auszug der Grundbuchanlegungsprotokolle Untermieming – Transskription:
Protokoll
aufgenommen über die gemäß dem Landesgesetze vom 17. März 1897, Nr. 9, behufs Anlegung des Grundbuches der Katastralgemeinde Mieming im Gerichtsbezirke Silz vorzunehmenden Erhebungen.
Tag und Ort des Beginnes der Erhebungen:
6. April 1910 im Gasthofe zum Stern in Mötz
Gegenwärtige:
der k.k. Grundbuchanlegungskommissär
k.k. Bezirksrichter Dr. Hans Bitschnau
k.k. Kanzleioffiziant Anton Wegleiter
Die von der Gemeindevertretung gewählten Auskunfts und Vertrauensmänner:
Johann Thaler, Alois Kluibenschädl, Johann Schneider, Alois Höpperger, Alois Schennach, Josef Sonnweber, Josef Dietrich, Nikolaus Spielmann, Dismas Kluibenschädl, Johann Krabacher, Josef Kopp
Der k.k. Evidenzhaltungsfunctionär k.k. Geometer Josef Santer
Der Gemeindevorsteher Johann Sonnweber
der Vertreter der Bezirksgenossenschaft der Landwirte Leonhard Raffl.
Am 6. April 1910 wurden die Erhebungen begonnen und am 15. November 1911 mit der Beglaubigung der EZl. 67 durch den Bürgermeister abgeschlossen.
Alle im Erhebungsprotokoll angeführten Einlagezahlen hätten also eineinhalb Jahre Zeit gehabt, Eigentumsurkunden vorzulegen. Wie es ja auch für die Parzellen 703 etc. seitens der Gemeinde geschehen ist.
Alle im Erhebungsprotokoll angeführten Einlagezahlen hätten also eineinhalb Jahre Zeit gehabt, Eigentumsurkunden vorzulegen. Wie es ja auch für die Parzellen 703 etc. seitens der Gemeinde geschehen ist.
Fazit
Es gab bei der Grundbuchanlegung für die Unterscheidung der Eigentumsrechte nur zwei Möglichkeiten:
- entweder Feststellung und Eintragung als Gemeindegut, Fraktions-, Nachbarschafts- oder Ortschaftsgut, in Rechtsnachfolge jedenfalls Gemeindegut
- oder Feststellung und Eintragung als Miteigentumsgemeinschaft, bereits festgelegt in urkundlich nachgewiesenen Anteilsquoten einzelner Stammsitzliegenschaften, oder unter dem Namen einer juristischen Person, z.B.Nachbarschaft, mit der zwingend vorgegebenen Anführung der anteilsberechtigten Stammsitzliegenschaften
- und, es gab keine einzelnen Beamtenentscheidungen, sondern Kommissionsentscheidungen.
Gemeinde, Fraktion und Nachbarschaft als gemeinderechtliche Begriffe wurden in der frühen Judikatur bereits sehr klar beschrieben und beurteilt.
Die beiden dargelegten Varianten waren durch Grundbuchanlegungsverordnung vorgegeben und sie wurden genauestens eingehalten.
Bei 1.541 km² wurden Miteigentumsgemeinschaften festgestellt.
Über 3.500 km² wurden als Gemeindegut verbüchert.
Aber beginnend mit den Haller’schen Regulierungen in Osttirol wurden den Tiroler Gemeinden 2.270 km² an Gemeindegut genommen und der Rest von 1.300 km² in den Rechten wesentlich beschränkt.
Dies alles war und ist die politische Linie der Bauernbund-Schwarzmander-ÖVP, die sich als Gemeinden- und Bürgermeisterpartei geriert.
Unter der politischen Verantwortung von Eduard Wallnöfer wurde den Tiroler Gemeinden das ihnen in der Monarchie gewidmete Sozialkapital gestohlen. Viele Gemeinden müssen deshalb heute für die Erfüllung ihrer autonomen Aufgaben als Bettler beim Land vorstellig werden. Auch hier gibt es wieder Gleichere.
Dies alles ist aus der Bestandsaufnahme des Tiroler Gemeindegutes, veröffentlicht auf der homepage des Tiroler Gemeindeverbandes, abzulesen.
>>Tiroler Gemeindeverband>>
Aktuell will die Schwarz-Grüne Landesregierung durch die vorgelegte TFLG-Novelle den Gemeinden nur Peanuts aus den Erträgen des geklauten Gemeindevermögens, in Teilen nur das, was ab 2013 bzw. 2008 beim atypischen Gemeindegut angefallen ist, zurückgeben. Dies betrifft nur 1.148 km².
Vom Rest wird überhaupt nicht gesprochen.
Eine Schande.
Vom Rest wird überhaupt nicht gesprochen.
Eine Schande.
Die Moral dieser Entscheidungsträger verschließt sich jedem christlich-abendländischen Bildungshorizont.
Bei meiner Ehr‘.