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Agrarpflichten der Gemeinde nach Bauernbunddirektor Raggl und eine Expertise des ehemaligen Agrarbehördenleiters Dr. Guggenberger

Die Wochen und  Monate ab dem 01.07.2014, dem Zeitpunkt des Inkrafttretens der Novelle zum TFLG, werden ein entscheidender Zeitraum für die Gemeinden und ihr Gemeindegut.

Der gesetzliche Weg wurde im Sinne der Agrar-Nomenklatura geebnet, institutionelle Indoktrination und mediale Aufbereitung sind im Gange und die Gemeinderäte sollen in den kommenden Monaten ihre eigene Gemeinde „dem Gesetz entsprechend“ mit „empfohlenen“ Bewirtschaftungsübereinkommen beglücken, sprich „um‘s Haxl hauen“.
>>TT 31 07 2014 Raggl: Auch Agrar-Pflichten an Gemeinden>>

Das Agrarier-Latein konnte nicht unwidersprochen bleiben und hat auch Expertenreaktionen ausgelöst, die nur auf diesem Wege der Öffentlichkeit bekannt gemacht werden können. Zwei Punkte dazu:
  • Auch die Agrarnovelle hat kein Verbot zur Umlage der realen, der wirklichen Kosten für die Bewirtschaftung des Gemeindegutes gebracht.
  • Die Agrargemeinschaften auf Gemeindegut sind überholt. Zurückhaltung bei Bewirtschaftungsübereinkommen erscheint geboten, auf keinen Fall sollten solche mit den überwiegend von Bauern entkleideten Agrargemeinschaften geschlossen werden. Bewirtschaftungsabsprachen sollten vielmehr mit nur praktizierenden Bauern und Viehhaltern, mit sog. Almgemeinschaften unter der Leitung eines Alpmeisters erfolgen. Diese könnten dann namens und im Auftrag von Gemeinden die Bewirtschaftung von Gemeindegutsalmen besorgen. Gerade dies würde im Interesse der wirklichen Bauern und Bewirtschafter stehen.
>>Expertise Dr. Guggenberger>>

>>Gemeindezeitung Präsident Schöpf: Vorsicht Fallstricke>>

Durch die gesetzliche Weichenstellung der schwarzgrünen Mander- und Weiberleit in Landesregierung und Landesparlament wurde auf die Gemeinden die alleinige Verantwortung zum Schutz und zur Verteidigung ihres Gemeindegutes übertragen, besser gesagt abgewälzt. Ein großflächiges Feigenblatt für agrarwillfährige Bürgermeister und Gemeinderäte wurde konstruiert.

In offensichtlicher Negierung der verbindlichen höchstgerichtlichen Judikatur wurde die Kernaussage, dass das Gemeindegut in seiner Eigenschaft, in seiner Qualität, als Gemeindegut nach der Tiroler Gemeindeordnung nicht verändert werden konnte und daher auch nicht verändert worden ist, in das Gegenteil verkehrt. Über zwanzig Seiten Gesetz mit noch mehr Seiten erläuternder Bemerkungen sollen die vier wesentlichen Paragraphen der TGO im Umfang einer halben Seite ersetzen.

Das soll nun umgesetzt werden.
Belehrungen für handverlesene Funktionäre aus Bauernbund und Landwirtschaftskammer durch die Behörde sind bereits erfolgt, Normal- oder Oppositionsgemeinderäte haben die Möglichkeit, sich in agrarrechtlichen Selbsthilfegruppen zu informieren.

In den Medien werden nun die passenden Markierungen gesetzt.

Der Bauernbunddirektor Peter Raggl war als erster dazu aufgerufen, vermeintlich Erhellendes im Agrarnebel abzusondern. Seine natürlich politischen Aussagen und Argumente in bestem Agrarier-Latein sind überprüfenswert.

Schichten:
Der Aussage: „dem Entfall von Arbeitsschichten der Agrarmitglieder sei in einigen Dörfern schon Ernüchterung eingezogen“ betont Raggl. „dort werde an Bewirtschaftungsübereinkommen gearbeitet.“ ist die Realität entgegenzuhalten, dass, wie z.B. in den Alm-AGs von Mieming, die Schichten nicht gratis geleistet, sondern von den Agrargemeinschaften bezahlt wurden. Der Stundensatz lag bei 9.- bis 10.- € brutto für netto. Empfohlen wird nun in den Gesprächen die Einführung des Maschinenringsatzes von 17.- € pro Stunde. Das ist eine völlig ungerechtfertigte Preistreiberei.
Aufforstungarbeiten der Wald-AGs wurden häufig durch örtliche Vereine, natürlich gegen Abgeltung, durchgeführt.

Vollends unerträglich wird der behauptete Schichten-Unfug durch die Tatsache, dass in echten Gemeindegutagrargemeinschaften, wo das Eigentum bei der Gemeinde verblieben ist, wie z.B. in Pians, die Nutzungsberechtigten zur Leistung von Gratis-Schichten verpflichtet sind. Diese Pflicht-Leistung kann durch Zahlung eines Beitrages abgelöst werden. An dieser Regelung ändert sich durch die TFLG-Novelle gar nichts, diese AGs sind davon nicht berührt.

Es ist inakzeptabel und widerspricht der Hauptbegründung der ergangenen Judikatur, nämlich dem Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz der Verfassung, dass ein Landes-Gesetzgeber eine Kategorie von besonders Begünstigten schafft.

Kompetenz:
Der Satz „Man soll und darf auf die Kompetenz und das Fachwissen der Agrargemeinschaften nicht verzichten“ darf ebenfalls näher beleuchtet werden.
Kompetenz und Fachwissen „der Agrargemeinschaften“ ist eine höchst unzulässige Verallgemeinerung, die durch Fakten nicht gedeckt ist.
„Die Agrargemeinschaften“ sind durch eine fehlgeleitete, an Parteiinteressen orientierte Agrarpolitik längst von Nutzungsgemeinschaften zu Mitgliedergemeinschaften pervertiert.
Meist hat weit mehr als die Hälfte der Mitglieder die Stalltür schon in der zweiten Generation zu, da ist auch die landwirtschaftliche Kompetenz nicht mehr vorhanden, bestenfalls das Interesse an irgendwelchen Gemeinschafts-Vorteilen. Das gilt für Viehwirtschaft und Forstwirtschaft gleichermaßen.
Die einzelnen aktiven Bauern haben zweifelsohne die Kompetenz, "die Agrargemeinschaft" hat keine.

Wenn nun aber bei Agrargemeinschaften mit 30 bis 40 „Papiermitgliedern“ weniger als die Hälfte noch Viehalter sind und davon auch nur mehr zwischen 5 und 10 Mitgliedern ihr Alpungsrecht nutzen, dann ist es angebracht, über diese Phantomgemeinschaften zu sprechen.
Auf das Fachwissen und die Kompetenz der wenigen wirklichen Nutzer, den aktiven Bauern, wird niemand verzichten wollen, die Uninteressierten können aber kein Vertragspartner für die Gemeinden sein.

Forstwirtschaftliche Kompetenz ist vor allem durch den Waldaufseher der Gemeinde und durch die Bezirksforstinspektion gegeben und wird auch in den Forsttagsatzungen ausgeübt. Die Phantomgemeinschaften haben wenig Einfluss, der auch nur je nach Interessenslage eingebracht wird.

Raggl’s Ansage „Man soll und darf auf die Kompetenz und das Fachwissen der Agrargemeinschaften nicht verzichten“ ist daher vor allem als Appell zur Aufrechterhaltung der Einfluss-Struktur der Agrargemeinschaften zu verstehen. Sie sind ein wesentliches Vehikel der Bauernbundpolitik und das soll so bleiben. Kompetenz und Fachwissen sind vorgeschützte Argumente.

In der Almwirtschaft würden durch diese Einfluss-Struktur am Wege von Bewirtschaftungsvereinbarungen Uninteressierte und Stalltür-zu-Bauern ohne jede Leistung mehrheitlich über die tatsächlichen Nutzer bestimmen können.
Es kann nicht Sache der Gemeinde sein, Bewirtschaftungsübereinkommen mit Nutzungsphantomen zu schliessen, wie es auch nicht im Sinne der tatsächlichen Nutzer liegt, sich von sachfremden Interessenslagen majorisieren zu lassen.

Es muss an dieser Stelle betont werden, dass in der „echten“ Gemeindegutsagrargemeinschaft Pians nicht nur die tatsächlichen Auftreiber für die Almbewirtschaftung aufkommen, sondern dass alle Nutzungsberechtigten ihr Alpungsrecht jährlich mit einem Beitrag bestätigen müssen. Erfolgt dies nicht, dann erlischt das Nutzungsrecht. Der Alpmeister wird aber allein vom Kreis der tatsächlichen Nutzer bestimmt.

Es beginnt jetzt eine höchst wichtige Phase für die Gemeinden.
Grundsatzfragen sind zu klären.
Zusammenarbeit zwischen Gemeinden und Nutzern ist notwendig.
Diese kann im Sinne einer Landwirtschaft als öffentliches Anliegen aber nur zwischen tatsächlichen, aktiven Nutzern und den Gemeinden erfolgen. Für Karteileichen von Phantomagrargemeinschaften ist hier kein Platz.

Die "Agrarpflichten der Gemeinde" nach Bauernbunddirektor Raggl sind ein politisches Wunschkonzert.
Die Gemeinden sind nicht verpflichtet, Bewirtschaftungsübereinkommen zu schließen.
Das macht dort Sinn, wo direkt mit den tatsächlichen und aktiven Nutzern verhandelt wird. Ihnen soll Sicherheit gegeben werden. Da hat auch Großzügigkeit der Gemeinden ihre Berechtigung.

Klarheit und Ehrlichkeit in der Sache muss Grundlage sein.
Raggl, der Schwarzmander-Politkommissar für die Potemkin‘schen Agrar-Dörfer, will die Einflusssphäre der Phantomagrargemeinschaften in vollem Umfang erhalten. Dies ist aber keineswegs die Voraussetzung für eine gesunde, selbstbestimmte Landwirtschaft.

Das haben die Gemeinderäte in den nächsten Wochen und Monaten zu klären.
Es ist eine äußerst wichtige Phase.
Bei meiner Ehr‘.