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Prof. Dr. Pernthaler und die Wissenschaft - Kommentare von Dr. Arnold und Prof. Dr. Morscher

Univ.-Prof. Dr. Peter Pernthaler scheint ein gefälliger Mann zu sein. Er ist nicht nur gemeinsam mit Dr. Oberhofer Mitherausgeber der Sammelbände "Die Agrargemeinschaften in Tirol" und "Die Agrargemeinschaften in Westösterreich", sondern er hat auch für die Erstausgabe der Zeitschrift "Gemeindegut", einer eher überflüssigen Hochglanzpostille, den Artikel "Den Agrargemeinschaften widerfährt Unrecht" beigesteuert.

Nach der Meinung von Fachkollegen scheint die Wissenschaft bei seinen Beiträgen zu kurz zu kommen.

Der Grandseigneur der Landesjuristen, Landesamtsdirektor i.R. Dr. Hermann Arnold, kommentierte mit folgendem Mail den Beitrag in der Hochglanzpostille.

Von:Dr. Hermann Arnold [mailto:This email address is being protected from spambots. You need JavaScript enabled to view it.]
Gesendet: Mittwoch, 10. April 2013 08:58
An: This email address is being protected from spambots. You need JavaScript enabled to view it.'
Betreff: Veröffentlichung "Den Agrargemeinschaften widerfährt Unrecht"

Sehr geehrter Herr Professor !
Wie ich Ihnen vor einiger Zeit via Mail mitgeteilt habe, verfolge ich mit Interesse die im Zusammenhang mit der Streitfrage Gemeindegut- Agrargemeinschaften auch von Professoren verfassten und veröffentlichten Darstellungen und stelle dabei nicht nur Widersprüche zwischen Aussagen, die sie selbst – je nach dem von wem sie beauftragt waren - gemacht haben, sondern auch nachweisbar falsche Aussagen fest. Solche sind mir im Artikel „Den Agrargemeinschaften widerfährt Unrecht“, der aus Ihrer Feder stammen dürfte, aufgefallen.

Dies begründe ich wie folgt:

Der Begriff des "Gemeindegutes" als gesetzlich definierter Rechtsbegriff findet sich erstmals im Provisorischen Gemeindegesetz aus dem Jahre 1849. Er wurde inhaltlich unverändert in die Tiroler Gemeindeordnung aus dem Jahre 1866 und in sämtliche später erlassene Tiroler Gemeindeordnungen übernommen.

Das Provisorische Gemeindegesetz setzte nicht allein das Vorhandensein von Gemeindegut, sondern, wie sein Wortlaut eindeutig erkennen lässt, auch das Bestehen agrarischen Gemeinschaften voraus, in deren Eigentum Wald- und Weidegrundstücke standen, die der Nutzung durch die Mitglieder dieser Gemeinschaften dienten. Der Bestand dieser Gemeinschaften wurde weder durch das Provisorische Gemeindegesetz noch durch die folgenden Gemeindeordnungen berührt.

Die rechtliche Möglichkeit, das Gemeindegut in den Kreis der durch die Flurverfassungsgesetze der Länder zu regelnden agrargemeinschaftlichen Grundstücke aufzunehmen, wurde bereits durch das Reichsrahmengesetz RGBl.Nr. 94/1883 eröffnet, zu dem in Tirol das erforderliche Ausführungsgesetz erst im Jahre 1909 erlassen wurde. Seit dem Inkrafttreten dieses Gesetzes gehört in Tirol das Gemeindegut zu den agrargemeinschaftlichen Grundstücken und fällt damit (auch) in den sachlichen Geltungsbereich des jeweils geltenden Tiroler Flurverfassungslandesgesetzes.

Es ist mithin keineswegs so , dass das Gemeindegut erst nach dem Inkrafttreten des B-VG oder seiner Kompetenzartikel zum Gegenstand von Regelungen auf dem Gebiet der Bodenreform geworden ist.

Im Übrigen hat die Einbeziehung des Gemeindegutes in den Kreis der agrargemeinschaftlichen Grundstücke nichts an den Eigentumsverhältnissen geändert. Vielmehr sind die Gemeinden ungeachtet dieser Änderung der Rechtslage Eigentümerinnen des Gemeindegutes geblieben.

Erst durch Bescheide der Agrarbehörde, für die es keine gesetzliche Grundlage gab (und gibt) wurde das Gemeindegut –in zahlreichen aber nicht in allen Fällen bzw. Gemeinden –aus dem Eigentum der Gemeinde entschädigungslos in das Eigentum von – gleichzeitig gegründeten – Agrargemeinschaften übertragen. Dass diese Vorgangsweise der Agrarbehörde nicht als eine bloße Feststellung des (bereits bestehenden) Eigentums einer Agrargemeinschaft am Gemeindegut, sondern als Übertragung des Eigentums am Gemeindegut von einer Gemeinde auf eine Agrargemeinschaft anzusehen war, hat der Verfassungsgerichtshof ausdrücklich ausgesprochen.

Durch diese Bescheid der Agrarbehörde wurden die Gemeinden – wie der Verfassungsgerichtshof in mehreren Erkenntnissen festgehalten hat - in ihren verfassungsgewährleisteten Rechten auf Unverletzlichkeit des Eigentums und auf Gleichheit verletzt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat sich in mehreren Erkenntnissen der Rechtsauffassung des Verfassungsgerichtshofes im wesentlichen angeschlossen.

 
 Die Agrarbehörden sind unter anderem dafür zuständig, mit Bescheid festzustellen, in welchem Eigentum bestimmte agrargemeinschaftliche Grundstücke stehen. Nicht in die Zuständigkeit der Agrarbehörden fällt es hingegen, im Zuge von Regulierungsverfahren das Eigentum an agrargemeinschaftlichen (und sonstigen) Grundstücken von einem Rechtssubjekt auf ein anderes zu übertragen. Für ein solches Vorgehen der Agrarbehörde fehlt und fehlt jegliche Rechtsgrundlage.

Der Begriff des „atypischen Gemeindegutes „ist tatsächlich eine rechtliche Konstruktion, die der Verfassungsgerichtshof , der ja an die zwar verfassungswidrigen, aber rechtskräftigen Bescheides gebunden war, gewissermaßen als „Notlösung“ gefunden hat, um zu einer verfassungskonformen Lösung des Problems zu kommen.

Es gibt keinen Hinweis dafür, dass die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechtes von ihrer Rechtsansicht abgehen könnten. Man wird sich daher jedenfalls an dieser Rechtsansicht - ungeachtet durchaus möglicher Kritik im einzelnen - orientieren müssen.

Dass die im Grundbuch jeweils als Eigentümerin des Gemeindegutes eingetragene Gemeinde nicht „wahre Eigentümerin“ des Gemeindegutes war, ist nicht zu vermuten (das Gegenteil trifft zu) und schon gar nicht ohne Prüfung des Einzelfalles und ohne nähere Begründung generell zu unterstellen wie dies die Agrarbehörde ehemals getan hat.

Die Behauptung, der Verfassungsgerichtshof habe „festgestellt“, dass im Tiroler Flurverfassungslandesgesetz der Begriff Gemeindegut „für Eigentum einer Agrargemeinschaft verwendet werde“ dürfte in dieser Schärfe nicht zutreffen, weil, soweit ich sehen kann, der Verfassungsgerichtshof nirgendwo weine bestimmte Vorschrift des Tiroler Flurverfassungsgesetzes angeführt hat, aus der sich dies ergibt. Der Aussage nach trifft dies nur für jene Fälle zu, in denen Gemeindegut durch die Agrarbehörde in das Eigentum einer Agrargemeinschaft übertragen wurde.

Der gesetzlich definierte Begriff „Gemeindegut“ umfasst auch für den sachlichen Geltungsbereich des jeweiligen Tiroler Flurverfassungslandesgesetzes bis zur Neudefinition dieses Begriffes durch das Gesetz LGBl. Nr. 7/2010 nur Grundstücke, die im Eigentum der Gemeinde standen.

Bei dieser Sach- und Rechtslage ist es nicht nur verständlich sondern sogar geboten den Gemeinden das Eigentum am Gemeindegut zurück zu übertragen wie es auch der Verfassungsdienst des Bundeskanzleramtes als im öffentlichen Interesse liegend und für den Dorffrieden sinnvoll für zulässig ansieht.

Als gewissenhafter Beobachter der Aussagen von Professoren zu diesem Thema kann man ihre Äußerungen kaum dem Prinzip der "Freiheit der Wissenschaft und Lehre" mit guten Gewissen zu ordnen, sondern ist eher geneigt, darin das geflügelte Wort "Wes Brot ich eß, des Lied ich sing", verwirklicht zu sehen.

Mit freundlichen Grüßen
Dr. Hermann Arnold


Aber nicht nur das.
em.o. Univ.-Prof. Dr. Siegbert Morscher geht in seinem Vortrag "Gemeindegutsagrargemeinschaften" auf die mangelnde Wissenschaftlichkeit mehrerer Autoren ein und hob Prof. Pernthaler als Beispiel hervor:

Es ist sehr enttäuschend, mit welcher Leichtfertigkeit sich ein Teil der Kollegenschaft hinreißen ließ, die juristischen Probleme zu bearbeiten. Um diese Beurteilung zu untermauern, müsste man naturgemäß auf die einzelnen Beiträge näher eingehen. Dazu ist hier nicht nur kein Platz, sondern es wäre dies angesichts der Qualität eines erheblichen Teiles der Beiträge wissenschaftlich wenig ertragreich. Ich möchte das an Hand einer weiteren einschlägigen Arbeit des Mitherausgebers Pernthaler, der auch einer der Hauptautoren ist, verdeutlichen:
Er formuliert: „Da die Eintragung des Gemeindegutes in den Grundbüchern häufig vor der Errichtung der politischen Gemeinde erfolgte …“. (Pernthaler, Eigentum am Gemeindegut, ZfV 2010, 375 ff - 381 linke Sp oben).
Sicher ist, dass die Grundbuchsanlegung in Tirol ab ca. 1900 erfolgte und dass zu dieser Zeit auch in Tirol die politischen Gemeinden schon viele Jahrzehnte bestanden haben.
 
Das Bedauerliche daran ist, dass dadurch bei betroffenen Nutzungsberechtigten Hoffnungen geweckt werden, die sich nicht erfüllen können, wie die inzwischen ergangene Rechtsprechung des VfGH, aber auch des VwGH erweist.


Gaudeamus igitur.
Pecunia non olet.
Bei meiner Ehr'.

Siehe auch:
>>Oberhofers Fiasko und das Waterloo seiner Rechtshistoriker>>
>>Sandgruber, die Wissenschaft und der Hausverstand>>