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Vom Beutegut zum Gemeindegut - 10 Jahre VfGH-Erkenntnis Mieders I

Zum Recht führt ein beschwerlicher Weg, der noch lange nicht zu Ende ist. 
Am 11.6.2018 ist es soweit. Das richtungsweisende Urteil des Verfassungsgerichtshofes „Mieders I“, VfSlg. 18.446/2008, wird an diesem Tag 10 Jahre alt. Damit wurde festgeschrieben, dass das Gemeindegut durch die offenkundig verfassungswidrige Regulierung nicht untergegangen ist und die Gemeinde Mieders seit jeher (das heißt seit der Regulierung und natürlich auch davor) den Anspruch auf den Substanzwert des Gemeindegutes hat; und zwar aus dem Titel des Eigentums. Der Substanzwert muss daher künftig in einem Anteil an der Agrargemeinschaft zur Geltung gebracht werden, weil die Eigentumsübertragung an die Agrargemeinschaft rechtskräftig geworden ist.
Das war der Startschuss, verfassungskonforme Verhältnisse beim Gemeindegut herzustellen! Allerdings dauern diese Bemühungen aufgrund des hinhaltenden Widerstandes vor allem in der ÖVP bzw. beim Bauernbund bis heute an. Es hat noch zahlreicher Rechtsgänge zu den Höchstgerichten bedurft, um Fragen zu (Schein-)Hauptteilungen, Teilwäldern, Ersatzanschaffungen, Jagd und Überling (VfGH Urteil zu Pflach vom 2.10.2013) etc. zu klären, die im Übrigen alle zugunsten der Gemeinden entschieden wurden.
Die anschließenden TFLG Novellen waren jedoch immer getragen von dem Gedanken, „möglichst viel vom Beutegut zu sichern“.
So sind die Auseinandersetzungsverfahren (§§ 49a ff TFLG) und die Teilwaldzusammenlegungen (§ 64 Z 5 TFLG) brandgefährlich für die betroffenen Gemeinden. Die Verwaltung des Gemeindegutes wurde durch den Substanzverwalter aufgebläht und verkompliziert. Und mit der Bewirtschaftungsabgeltung (§ 36i TFLG) werden die Bewirtschaftungskosten zu einem großen Teil auf die Gemeinden überwälzt; die gemäß § 72 TGO 2001 vorgesehene „Umlegung der Lasten des Gemeindegutes“ auf die Nutzungsberechtigten ist entfallen. Die Aufarbeitung der Vergangenheit wird durch Stichtage behindert.
Die naheliegende Lösung, nämlich die gesetzliche Rückübertragung des Gemeindegutes an die Gemeinden, wurde nicht realisiert. Obwohl dies durchaus möglich wäre, wie der BKA-Verfassungsdienst in einer Expertise ausgeführt hat.
HR i.R. Dr. Heinrich Kienberger war Vorstand der Abteilung Verfassungsdienst und der Gruppe Präsidium des Landes Tirol sowie Mitglied des Verfassungsgerichtshofes. Er hat vor Kurzem das Buch "Das Gemeindegut als Verfassungsproblem - ein verfassungswidriger Rechtszustand als Folge der Aufrechterhaltung einer gesetzlosen Eigentumsentziehung?" vorgestellt. Dr. Kienberger kommt zum Ergebnis, dass der Landesgesetzgeber zwar die Rechtsauffassung des VfGH zur Geltung gebracht, damit aber noch nicht eine in jeder Hinsicht verfassungskonforme Rechtslage hergestellt hat. Dazu wäre es nötig, auch das formale Eigentum am Gemeindegut wiederum von den Agrargemeinschaften an die Gemeinden zurückzuführen.
Mehr bleibt nicht zu sagen.
Bei dieser Gelegenheit darf ehemalige Leiter der Agrarbehörde, HR Dr. Josef Guggenberger, nicht unerwähnt bleiben. Er hat mit dem erstinstanzlichen Bescheid zu Mieders vom 9.11.2006 die Sache ins Rollen gebracht und damit einen wesentlichen Beitrag zur Aufklärung dieses Jahrhundertunrechts geleistet. Guggenbergers Bescheid wird im VfGH Urteil vom 11.6.2008 seitenweise zitiert und von den Höchstrichtern eindrucksvoll bestätigt, während der Landesagrarsenat und der Verfassungsdienst des Landes förmlich „abgewatscht“ wurden.
Für das Land Tirol wäre es längst an der Zeit, sich einerseits bei den Gemeinden und der Tiroler Bevölkerung für den Agrarskandal zu entschuldigen und andrerseits HR Dr. Guggenberger offiziell für seine grundlegende Arbeit und für seine standhafte, rechtsstaatliche Haltung zu würdigen.
Der 11.6.2018 ist für die Tiroler Gemeinden ein Tag zum Feiern, da sie zum Wohle der Bevölkerung wieder Zugriff auf ihr Gemeindegut haben. Aber der Weg zum Recht ist noch nicht zu Ende. (Günther Hye)
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