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Der Nehmer-Bund - wie die Alten sungen, so zwitschern die Jungen

Im Standard wurde am 21 09 2022 ein bemerkenswerter Gastbeitrag von Alexandra Keller veröffentlicht, der hier zur Gänze wiedergegeben sei:

ALEXANDRA KELLER

Causa Agrargemeinschaften: Renitente Tiroler Burschen

Dass Tiroler Jungbauern-Vereine rund 800.000 Euro an Corona-Förderungen zurückzahlen müssen, wurde zum Thema im Landtagswahlkampf. Die Agrargemeinschafts-Causa schaffte das nicht, obwohl es dabei um ein hohes Milliardenvermögen geht

Griff in den Fördertopf

Im aktuellen Fall ist es die Tiroler Jungbauernschaft und Landjugend, die auf diese Weise geschützt werden muss. 120 Organisationen der Jungbauernschaft und Landjugend haben bekanntermaßen mehr als 800.000 Euro an Corona-Förderungen aus dem diesbezüglichen Topf für Non-Profit-Organisationen erhalten. Weil diese Organisationen aber zu wenig Non Profit und zu sehr dem Tiroler Bauernbund nahe beziehungsweise über den Bund gar der ÖVP zuzurechnen sind, müssen sie die Fördergelder zurückzahlen. Sie wollen aber nicht – und geht es nach dem Tiroler Bauernbund, sollen sie auch nicht. Zurückzugeben, was einem nicht gehört, hat in ihrer Welt schließlich keine nennenswerte Tradition.

Der als unrechtmäßig erkannte Griff der Jungbauern in den NPO-Fördertopf wurde jedenfalls zum Thema im gerade ausklingenden Tiroler Landtagswahlkampf. Der mit bauernbündischer Chuzpe über Jahrzehnte hinweg inszenierte, mehrfach als verfassungswidrig erkannte, ein Volksvermögen in Milliarden-Euro-Höhe umfassende und nach wie vor nicht reparierte Agrargemeinschaftsskandal schaffte das nicht. Seltsam eigentlich. Oder eben doch bezeichnend für die Bauernmacht, die das Land wie eine zähe Erbmasse durchdringt?

Verfassungswidrig übertragen

Im Juli 2022 forderten der Tiroler Gemeindeverband und der Verein Gemeindeland in Gemeindehand im Rahmen einer Pressekonferenz die Rückübertragung jenes Grundeigentums an die Tiroler Gemeinden, das ebendiesen unter Federführung der vom ÖVP-Bauernbund dominierten Landesregierung über Jahrzehnte hinweg entzogen worden war. "Volksvermögen im Ausmaß eines Fünftels der Landesfläche wurde 170 Tiroler Gemeinden verfassungswidrig geraubt", stellt der Verein klar, zu dessen Unterstützern "gestandene" ÖVP-Männer wie Gemeindeverbandspräsident Ernst Schöpf oder Altlandeshauptmann Wendelin Weingartner zählen.

Dessen Vorvorgänger Landeshauptmann Eduard Wallnöfer war treibende politische und Albert Mair, Leiter der Tiroler Agrarbehörde und späterer Chef der Hypo Tirol Bank, war treibende "Beamtenkraft" hinter den unrechtmäßigen Eigentumsübertragungen gewesen. Im Bescheid, mit dem die Außerferner Gemeinde Bichlbach im Jahr 1951 ihr Grundeigentum an 26 Bauern verlor, hatte Mair als Begründung festgehalten: "Die vorläufige Regelung der Verwaltung war vorzunehmen, da die Berechtigten mit Grund befürchten, durch die fortschreitende Verschiebung der Bevölkerungsschichtung zuungunsten des Bauernstandes zukünftig nicht mehr in der Lage zu sein, auf die Verwaltung der Gemeinde hinreichend Einfluss zu nehmen." 

Erkenntnis ignoriert

Der Einfluss der Bauern. Mit ihm hatte Erwin Aloys, langjähriger Bürgermeister der Gemeinde Ischgl, wenig Freude und hielt in einem Interview fest: "1974, als ich Bürgermeister wurde, hat die Gemeinde absolut nichts mehr besessen. Null, nicht einmal mehr eine Straße. Ein ungeheuerlicher Vorgang in einem Rechtsstaat im 20. Jahrhundert."

Die ungeheuerlichen Vorgänge fanden tirolweit statt und wurden 1982 erstmals als verfassungswidrig erkannt. Das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs wurde jedoch ignoriert, und erst als die Einzelheiten ab 2005 sukzessive an die Öffentlichkeit gelangten, wurde der Skandal in seiner wahren Dimension wahrgenommen.

Immenses Vermögen

Georg Willi, grüner Bürgermeister der Stadt Innsbruck, bezeichnete die Vermögensverschiebung bald als "größten Kriminalfall in der Geschichte Tirols". Ex-Landeshauptmannstellvertreter Hannes Gschwentner (SPÖ) nannte sie schlicht "Diebstahl" und hielt 2011 in einem Interview fest: "Es ist aber ein Irrglaube, dass man das, was hier jahrzehntelang an Unrecht passiert ist, schnell mit einem Schwerthieb regeln beziehungsweise richtigstellen kann. Je nachdem, wie renitent die Burschen sind, geht es leichter oder weniger leicht."

Gschwentner sollte recht behalten. Obwohl dies zumindest für 2,5 Milliarden verfassungswidrig verschobene Quadratmeter mit einfachem Landesgesetz möglich wäre, wurde das immense Grundvermögen nach wie vor nicht an die Gemeinden zurückübertragen. Stattdessen reagierte das Land mit einem so bizarren wie hochkomplexen Gesetzeskonstrukt, das den Einfluss der Bauern nur minimal minimierte und jenen der Gemeinden nur minimal fixierte.

"Die Burschen" zeigten offenkundig ein Höchstmaß an Renitenz, und es muss angesichts der Reglosigkeit fast zwingend davon ausgegangen werden, dass die Tirolerinnen und Tiroler sich den Worten beugen, mit denen der langjährige Bauernbundobmann und Landeshauptmann-Stellvertreter Anton Steixner den großen Raub am 4. Mai 2005 verteidigte: "Die Übertragung des Eigentums von den Gemeinden auf die Agrargemeinschaften war politisch gewollt." Das ist sie wohl bis heute geblieben. (Alexandra Keller, 21.9.2022)

Alexandra Keller ist freie Journalistin und Autorin in Tirol. Für ihre Beiträge zu den Agrargemeinschaften erhielt sie den Alfred-Worm-Sonderpreis. 2012 erschien ihr "Schwarzbuch Tirol" im Studienverlag.


Es mag die Veröffentlichung der Rückforderung der Zahlungen aus dem Corona-Unterstützungsfonds an die Jungbauern eine grüne politische Bosheit zum Landtags-Wahlkampf Tirol gewesen sein, sie ist jedoch ein Anlass, die Nehmer-Qualitäten dieses Bundes in Erinnerung zu rufen. Die Grundhaltung ist seit 1948 gleich geblieben oder landwirtschaftsnäher ausgedrückt: "Der Apfel fällt nicht weit vom Ross". 

Die TT zu den Jungbauernförderungen:

>>TT 2022 09 13>>

>>TT 2022 09 14>>

>>TT 2022 09 15>>


Ein großer "Brocken" ist in diesem Zusammenhang unbedingt zu erwähnen:

Der Almförderungsbetrug: 

Almförderungen - da capo ...

Rechnungshofbericht Almförderungen - die Beschreibung eines gigantischen Sauhaufens ...

Almförderungen - der Steuerzahler "brennt" ...

Es ist nicht zu erwarten, dass der Steuerzahler diesmal davonkommt.

Bei meiner Ehr'. 

 

Nachtrag 23 09 2022

Die Milde des Tiroler SPÖ-Vorsitzenden Dornauer den Jungbauern gegenüber wird nun etwas verständlicher. Hier singt und zwitschert auf Kosten des Steuerzahlers ein großer schwarz-roter Chor. 

Krone 23.09.2022 06:00 Uhr NACHRICHTEN

CORONA-FÖRDERUNGEN - Rote Kinderfreunde erhielten 2,4 Millionen Euro

Nach der ÖVP hat jetzt auch die SPÖ ein Problem mit Corona-Förderungen.

Der Streit um Zahlungen aus dem bei Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) angesiedelten Non-Profit-Organisation-Fonds ist um ein Kapitel reicher. Bekanntlich soll ja der ÖVP-nahe Seniorenbund die Millionen-Förderungen zurückzahlen.

Jetzt tauchen aber auch Gelder auf einer Förderliste an die SPÖ-nahen Kinderfreunde auf. Konkret geht es um insgesamt 2,4 Millionen Euro. Dass es sich um eine sozialdemokratische Organisation handelt, geben die Kinderfreunde selbst auf ihrer Homepage an. Und zum SPÖ-Parteitag entsendete der Verein gleich sechs Delegierte, zudem sitzt die Geschäftsführerin für die Partei im Bundesrat.

Status aufgegeben?
Interessantes Detail: Der Wikipedia-Artikel über die Kinderfreunde wurde inmitten des Trubels über die Zahlungen an den ÖVP-nahen Seniorenbund geändert. Demnach hätten diese im Sommer 2021 den Status als SPÖ-nahe Organisation und damit alle einhergehenden Rechte und Pflichten aufgegeben. In einem der "Krone" vorliegenden Chat diskutierten der Autor und ein Leser, der Unklarheit beanstandete. Schließlich einigte man sich darauf, dass die Sache kompliziert sei.

Selbstverständlich berichtet auch die TT darüber >> TT 24 09 2022 Kinderfreunde>>