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Musterfall Mieming: Der Gemeinderat verschenkt 50 % der Substanzerträge an Nutzungsberechtigte

Es war der Tag des Geschenke bringenden hl. Nikolaus, als der Gemeinderat auf Antrag des Bürgermeisters beschlossen hat, auf die Hälfte der Substanzerlöse aus dem Gemeindegut der Agrargemeinschaften Barwies und See-Tabland-Zein zu Gunsten der einzelnen Nutzungsberechtigten zu verzichten. Gegen den ausdrücklichen Rat des Rechtsvertreters der Gemeinde und offenkundig gegen alle neueren VfGH-Erkenntnisse und gegen eine 130 jährige Judikatur.

Es ist nicht das erste Mal, dass die agrarischen Fraktionen im Gemeinderat von Mieming ihr Gelöbnis brechen, aber es ist vermutlich der folgenschwerste Beschluss gegen das Wohl der Gemeinde seit 1952.

Zur Erinnerung:
Tiroler Gemeindeordnung § 28 Gelöbnis
  1. Die Mitglieder des Gemeinderates haben in der konstituierenden Sitzung bzw. in der ersten Sitzung, an der sie teilnehmen, vor dem Gemeinderat zu geloben, in Treue die Rechtsordnung der Republik Österreich zu befolgen, ihr Amt uneigennützig und unparteiisch auszuüben und das Wohl der Gemeinde und ihrer Bewohner nach bestem Wissen und Können zu fördern. Die Beifügung einer religiösen Beteuerung ist zulässig.
  2. Der Bürgermeister und der (die) Bürgermeister-Stellvertreter haben vor dem Antritt ihres Amtes dem Bezirkshauptmann das Gelöbnis auf die Bundes- und Landesverfassung zu leisten.
Bürgermeister Dr. Dengg hat sehr lapidar die LAS-Erkenntnisse zu Barwies und See-Tabland-Zein auf die Tagesordnung gesetzt. Man konnte dahinter einen Bericht vermuten, da seine weitere Handlungsfähigkeit nicht von einem Gemeinderatsbeschluss abhängig gewesen wäre.
Bürgermeister Dr. Dengg hätte selbst die Entscheidung treffen müssen.
Er hat jedoch ein Feigenblatt gesucht, das ihm eine Rechtfertigung gibt, die Interessen der Gemeinde nicht vorbehaltslos zu vertreten.
Dr.Dengg hat beantragt, der vom Rechtsvertreter der Gemeinde vorgeschlagenen Vorgangsweise nicht zu folgen und keine weiteren rechtlichen Schritte mehr zur Wahrung der Rechte der Gemeinde zu setzen.
Damit wurden auch die mitstimmenden Gemeinderäte in diese schwere Verantwortung hineingezogen. Mitgefangen, mitgehangen.

Die Diskussion verlief wie immer sehr einseitig. Dr. Dengg führte aus, daß die Erkenntnisse rechtskräftig seien und dass es nicht Aufgabe der Gemeinde Mieming sei, wie vorgeschlagen, beim VfGH ein Gesetzesprüfungsverfahren zum TFLG § 40 Abs. 6 anzustreben.
Die Redner der Opposition verwiesen auf die Pflicht von Bürgermeister und Gemeinderat, zum Wohl und im Interesse der Gemeinde das Verfahren weiter zu führen. Nicht zuletzt auch deshalb, weil nur dadurch Rechtssicherheit hergestellt werden kann. Auf die Befangenheit der Mehrheit der Mitglieder der agrarischen Mehrheitsfraktionen wurde hingewiesen. Wesentliche Redebeiträge waren von Seiten der Mehrheit nicht zu vermerken.
Aussagen zum weiteren Verhalten der Agrargemeinschaften in diesem Verfahren gab es keine, da deren Ausschüsse "zufälligerweise" erst nach dieser Gemeinderatssitzung zusammentreten werden.
Mit jeweils 10 pro-Stimmen, 1 Enthaltung und 4 Gegenstimmen wurden die Anträge durch die agrarischen Mehrheitsfraktionen beschlossen.

Die Folgen dieser Beschlüsse:
Es ist logische Konsequenz, dass die Agrarbehörde 1. Instanz diese Entscheidung bei allen Mieminger Agrargemeinschaften anwenden muß.

Damit man weiß, worum es geht, das
Volumen der Substanzerlöse aller Mieminger Agrargemeinschaften per Ende 2009:
Rücklagen über € 1.215.000.-
Pachterlöse über € 120.000.- wobei hier die vermutlich an die Nutzungsberechtigten direkt bezahlte Golfpacht in der Größenordnung von ca. € 200.000.- noch dazu zu rechnen ist.
Grundverkaufserlöse wechselnder Höhe, 2009 waren es € 181.000.-
Auf die Hälfte dieser Erlöse hat der Gemeinderat mit diesem Beschluss möglicherweise verzichtet. Möglicherweise deshalb, weil es vom Verhalten der Nutzungsberechtigten in den Agrargemeinschaften abhängt, ob sie die Verfahren weiter führen oder sich mit der Hälfte ihres "Beutegutes" zufrieden geben, was einem Eingeständnis des Unrechts gleich käme.

Nochmals zum klaren Verständnis:
Die Hälfte der angeführten Substanzerlöse fließt an die einzelnen Nutzungsberechtigten, nicht an die Agrargemeinschaften, die ja das Gemeindegut treuhändig für die Gemeinde verwalten sollten.
Unklar ist, ab welchem Stichtag die Auslegung des LAS zu gelten habe. Ab 1984, dem Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Paragraphens oder erst ab diesem Erkenntnis?
Sicher ist jedoch, daß eine Aufhebung dieser LAS-Entscheidung nach einem Gesetzesprüfungsverfahren, von welcher Gemeinde das immer eingeleitet werden möge, nicht rückwirkend gelten kann. Alle Abwicklungen bis dahin sind gültig. Zum Schaden der Gemeinde. Zum Vorteil der einzelnen Nutzungsberechtigten.
Im Klartext, ein Teil des Geschäftes für die Nutzungsberechtigten ist durch das LAS-Erkenntnis bereits sicher gemacht.
Die Vorgangsweise des Bürgermeisters verlängert diesen verfassungswidrigen Vorteil bis zum Einschreiten einer unbekannten Teilwaldgemeinde zu einem unbekannten Zeitpunkt.
Die Möglichkeit der Gemeinde, den Schaden zu begrenzen, wurde wissentlich nicht genutzt. Gegen die Empfehlungen des Rechtsvertreters der Gemeinde und bei maßvollen zusätzlichen Kosten.

Allein durch den Umstand, wissentlich die Möglichkeit der Vergößerung des Schadens herbeigeführt zu haben, erhebt sich der Verdacht der Untreue nach § 153 Abs 1 StGB. Der Bürgermeister und die beschlussfassenden Gemeinderäte haben den Vermögensnachteil der Gemeinde zugunsten der in § 29 Abs. (1) a) TGO ihnen verbundenen Personen bewusst in Kauf genommen.

Befangenheit:
Entsprechend der üblichen Auslegung der Befangenheitsregeln durch die Gemeindeaufsicht haben die anwesenden Funktionäre der AG See-Tabland-Zein Thomas Raich und der AG Barwies Benedikt van Staa bei der Abstimmung über ihre Agrargemeinschaften als Nutzungsberechtigte und direkte Nutznießer nicht mitgestimmt.

Eine Verordnung, die gemäß § 29 Abs. (1) die Befangenheit gemäß Abs. (1) lit. a) bis d) ausschliessen könnte, lag nicht zur Abstimmung vor. Der Bürgermeister hätte diese Entscheidung auch ohne Gemeinderatsbeschluß treffen müssen. Da aber das LAS-Erkenntnis für alle Teilwaldnutzungsberechtigten gilt, ist der daraus direkt erfließende persönliche finanzielle Vorteil eines einzelnen Nutzungsberechtigten ein Befangenheitsgrund für alle jene Gemeinderäte, die in einem Naheverhältnis gemäß Abs. (1) lit. a) bis d) zu einem Nutzungsberechtigten stehen. Was bei fast allen der zehn pro-Stimmen zutrifft.

Das hat mit der Organisation der Nutzungsberechtigten in einer Agrargemeinschaft nichts zu tun, denn das LAS-Erkenntnis gilt für alle Teilwaldnutzungsberechtigten in Tirol.
Befangenheitserklärungen gemäß Abs. (3) sind nur durch Benedikt van Staa für die Abstimmung zu Barwies und von Thomas Raich zur Abstimmung von See-Tabland-Zein erfolgt.
Der Beschluss hätte bei korrekter Einhaltung der Befangenheitsregeln keine Mehrheit gefunden und der Bürgermeister müßte die vorgeschlagenen Rechtsmittel ergreifen.
Auch in diesem Zusammenhang sei auf Seite 15 des Gutachtens von Prof. Scheil verwiesen, wo es heißt: “... dass durch die wissentliche Nichtwahrnehmung einer allfälligen Befangenheit nach § 29 TGO bei der Behandlung der Frage der Berufung gegen den Bescheid der Agrarbehörde durch den Bürgermeister oder durch ein Mitglied des Gemeinderats der Tatbestand des Amtsmissbrauchs nach§ 302 Abs 1 StGB verwirklicht werden kann.“
Die Einhaltung des § 29 TGO ist durch die Gemeindeaufsicht zu prüfen.

Die folgenden Gemeinderäte haben den finanziellen Vorteil aus den Teilwaldnutzungsrechten für sich oder ihre Verwandtschaft vor ihr Gelöbnis „... ihr Amt uneigennützig und unparteiisch auszuüben und das Wohl der Gemeinde und ihrer Bewohner nach bestem Wissen und Können zu fördern.“ gestellt:

Dr. Franz Dengg,   Bruder in AG Untermieming
Klaus Scharmer,  Teilwaldnutzungsberechtigter AG Obermieming
Kaspar Kuprian,   Bruder ist Obmann der AG Untermieming
Barbara Spielmann,  Gattin des Obmanns der AG Obermieming
Thomas Raich,  Teilwaldnutzungsberechtigter, Obmann der AG See-Tabland-Zein
Wolfgang Schatz,  Vater Mitglied in der AG Barwies
Bianca Rott,    Vater Mitglied der AG Fronhausen-Gschwendt
Hannes Spielmann,   Bruder des Obmanns der AG Obermieming

Benedikt van Staa,  Teilwaldnutzungsberechtigter der AG Barwies, Ortsbauernobmann
Ing. Martin Kapeller,   Bruder Mitglied der AG Obermieming, Mitarbeiter LWK Imst

Bei meiner Ehr'!

Mit den ersten Beschlüssen im Jahr 1952, die Regulierungsbescheide zu Obermieming und Untermieming zu genehmigen, haben die damaligen Gemeinderäte es entgegen ihrem Gelöbnis für rechtens befunden, die erfolgte Zueignung von 100% der Substanzwerte zu beschliessen. Im Dezember 2011 reichen 50%.
Recht muß Recht bleiben, zumindest zur Hälfte.
Das ist Basar statt Rechtsstaat.
"Mieming wird zum Musterfall" war eine gefährliche Drohung an die Gemeinde. Steixner hat sie wahr gemacht.

Spannend wird die Bewertung der Substanzanteile durch die Agrarbehörde in den kommenden Verfahren.
Wie bewertet die Behörde z.B.
  • den Teil der Golfplatzpacht, der nicht über die Bücher der AG Obermieming sondern direkt an die Nutzungsberechtigten bezahlt wird.
  • die Vergangenheit, wo bei Grundverkäufen durchschnittlich 85% des Substanzwertes unter Vermeidung der Bücher der AGs direkt an die Nutzungsberechtigten gegangen ist.
  • Täusche von Nutzungsrecht gegen das Eigentum im Verhältnis 1:1 wie zuletzt in See-Tabland-Zein. Wird hier entsprechend vorliegender Amtsgutachten das Nutzungsrecht den Wert von € 1.- bis 2.- haben?
  • Grundkäufe der Nutzungsberechtigten. Bekommt ein Nutzungsberechtigter, der wie in See-Tabland-Zein einen Grund um € 2,90/m² von der AG erworben hat, wieder € 1,45 zurück? Es steht ihm ja die Hälfte des Substanzerlöses zu!
  • die Rückzahlung von Substanzwerten durch die Nutzungsberechtigten, wenn die Substanz bereits von der Verwandschaft verkauft wurde, wie in zahlreichen Fällen z.B. des Altobmannes der AG Obermieming
und viele andere Fragen mehr.

Es ist einmal mehr deutlich geworden, dass den Gemeinden durch die Tiroler Landesverwaltung mittels nicht verfassungskonformer Interpretation von Landesgesetzen schwerer Schaden zugefügt wird. Aus politischem Kalkül.
Der von Platter und Steixner beschworene Rechtsweg dient nicht der lückenlosen Umsetzung der VfGH-Erkenntnisse, sondern der Verzögerung und weiteren Verschiebung von Gemeindevermögen in die Hände der Nutzungsberechtigten.

War in den 50er Jahren des vergangenen Jahrhunderts noch bei einzelnen Nutzungsberechtigten der "Gute Glauben" denkmöglich, so muß ihnen heute die Politgaunerei klar sein.
Der Rechtsstaat wird sich durchsetzen, aber ihre Ehre ist verloren.


Bild: Struwelpeter