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Fehlurteil des LVwG
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- Published: Sunday, 07 May 2017 15:12
Ein offenkundiges Fehlurteil des Landesverwaltungsgerichtes und in Folge davon ein der eigenen Judikatur widersprechendes Erkenntnis des VwGH sind die Grundlage der von Bürgermeister und Substanzverwalter Dr. Franz Dengg per Gemeinderatsbeschluss rechtswidrig versuchten Umleitung der Hälfte des Ertrages aus dem Grundverkauf AG Obermieming – Pirktl vom Teilwaldberechtigten Scharmer auf Franz Pirktl.
Der VwGH hat aus einem völlig anderen Ansatz heraus bereits1989 und 1991, also weit vor 2008, festgestellt, dass der Erlös aus der Veräusserung eines Waldgrundstückes mit Teilwaldrechten kein Ertrag aus der Teilwaldnutzung, sondern ein Erlös aus der Aufgabe eines Teiles des Anlagevermögens der Agrargemeinschaft ist. Dieser Grundsatz wäre selbstverständlich vom LVwG auf den gegenständlichen Vorgang anzuwenden gewesen.
Der VwGH judizierte mehrfach:
"Verkauf ist keine Waldnutzung"
Auszug aus dem VwGH Erkenntnis /30.01.1990 /GZ 89/14/0143:
“Regelmäßige Vorgänge sind bei Anteilsberechtigten einer Agrargemeinschaft - zu diesen zählen auch Teilwaldberechtigte - die laufenden Nutzungen, wie etwa Ausschüttungen der Agrargemeinschaft an die Anteilsberechtigten (hg. Erkenntnisse vom 22. März 1983, 81/14/0089, ÖStZB 1984, 67, vom 24. November 1987, 87/14/0005, 0006, ÖStZB 1988, 384, vom 15. Dezember 1987, 86/14/0171, ÖStZB 1988, 384). Zu den typischerweise nicht regelmäßig vorkommenden Vorgängen, die also von der Durchschnittssatzbesteuerung nicht erfaßt und damit abgegolten sind, gehört etwa die Veräußerung eines Wirtschaftsgutes des Anlagevermögens (hg. Erkenntnis vom 1. Dezember 1981, 81/14/0036). Das Teilwaldrecht besteht in der ausschließlichen Holz- und Streunutzung an einer bestimmten Teilfläche eines Waldgrundstückes, das im Eigentum einer Gemeinde oder einer Agrargemeinschaft steht. Ist dieses Recht mit einem Betrieb der Land- und Forstwirtschaft verbunden, so ist es Anlagevermögen dieses Betriebes, weil es auf die betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer oder zumindestens einen größeren Zeitraum davon dem Betrieb zu dienen bestimmt ist. Der Erlös aus seiner Veräußerung ist daher von der Durchschnittssatzbesteuerung nicht erfaßt. Daran ändert auch der Umstand nichts, daß durch die Veräußerung des Nutzungsrechtes auch das Recht zur Nutzung stehenden Holzes auf den Erwerber des Teilwaldrechtes übergehe. Es kann diesbezüglich nichts anderes als für die Veräußerung von Waldparzellen gelten. Die Veräußerung des Waldgrundstückes samt dem stehenden Holz, das ebenfalls zum Anlagevermögen zählt (hg. Erkenntnis vom 21. Oktober 1986, 86/14/0021, ÖStZB 1987, 331), bildet aber keine Waldnutzung (hg. Erkenntnis vom 7. Oktober 1970, 873/68, VwSlg. 4132 F/1970; hg. Erkenntnis vom 16. Juni 1987, 85/14/0110, ÖStZB 1988, 111). … Bei der Veräußerung der Waldparzelle oder des Teilwaldrechtes geht es aber nicht um die Nutzung des Holzes durch den Waldbesitzer, sondern um die Aufgabe des Anlagevermögens Wald, wobei die Nutzung des stockenden Holzes erst durch den neuen Waldbesitzer auf Grund des von diesem erworbenen Eigentums- oder Nutzungsrechtes erfolgt. …”
oder
VwGH Erkenntnis Geschäftszahl 91/14/0013 vom 08.10.1991
"Stammrechtssatz
Gleich dem Verkauf einer Waldparzelle stellt der Verkauf des Teilwaldrechtes keine Holznutzung dar (Hinweis E 7.10.1970, 873/68, und E 16.6.1987, 85/14/0110). Bei der Veräußerung der Waldparzelle oder des Teilwaldrechtes geht es nämlich nicht um die Nutzung des Holzes durch den Waldbesitzer, sondern um die Aufgabe des Anlagevermögens Wald. Dies auch dann, wenn im Kaufpreis das Holz am Stock (besonders) berücksichtig wurde. Die Nutzung des stockenden Holzes erfolgt erst durch den neuen Waldbesitzer."
Umso unverständlicher ist die aktuelle Kehrtwendung des VwGH:
"Verkaufserlös ist Teilwaldertrag"
Im Erkenntnis 23.02.2017 GZ Ro 2015/07/0008 widerspricht der Verwaltungsgerichtshof seiner eigenen Judikatur mit der genau gegenteiligen Aussage, was durch den Absatz bei der Randzahl 43 deutlich erklärt ist:
„43 § 40 Abs. 6 TFLG 1996 umfasst auch die Aufteilung eines Verkaufserlöses. Dies ergibt sich eindeutig aus einer systematischen Interpretation. Wiederum ist auf § 33 Abs. 5 TFLG 1996 zu verweisen, wonach die Substanz eines agrargemeinschaftlichen Grundstückes insbesondere auch dann genutzt wird, wenn dieses veräußert wird. Der Verkaufserlös stellt somit eine Form der Substanznutzung dar und fällt daher schon begrifflich unter "die Erträge aus dem Teilwald" im Sinne des § 40 Abs. 6 TFLG 1996, die sich schon nach dem Wortsinn eben nur aus der Nutzung eines Teilwaldes ergeben können.
Was ist nun aus diesen Erkenntnissen abzulesen:
Das VwGH Erkenntnis GZ 89/14/0143 wurde weder im Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtshofes LVwG-2014/35/2772-2, noch im VwGH Erkenntnis GZ Ro 2015/07/0008 besprochen.
Dadurch wurde jedenfalls übersehen, dass der VwGH bereits mehrfach judiziert hat, dass die Veräußerung eines Waldgrundstückes nicht unter den Begriff der Nutzung fällt. Der Veräußerungserlös ist kein Nutzungserlös oder anders gesagt, kein Ertrag aus der Teilwaldnutzung. Die Gesetzeslage vor oder nach der TFLG Novelle 2014 ist für diese Grundsatzentscheidungen ohne Bedeutung.
Das Landesverwaltungsgericht hat die Formulierung „Erträge aus dem Teilwald“ (LVwG Erkenntnis Seite 17 unten) unter Hinweis auf ein Gutachten von Prof. Dr. Karl Weber eindeutig falsch interpretiert. Vom Hausgutachter der AG Obermieming war wohl nichts Anderes zu erwarten.
Dem Anwalt der Gemeinde Mieming ist diese Judikatur, so scheint es, offensichtlich entgangen. Es wurde jedenfalls verabsäumt, die Judikatur in den Schriftsätzen der Gemeinde anzuführen. Es darf an dieser Stelle darauf hingewiesen werden, dass Dr. Ruetz und Prof. Dr. Weber in der Sache der Wiederkaufsrechte nicht besonders wirkungsvoll für die Gemeinde kooperiert haben.
Die Kehrtwendung des VwGH, die Abwendung von mehrfacher, eigener Judikatur, ist absolut unüblich für Höchstgerichte. Es ist müßig, darüber zu spekulieren.
Fazit ist, es liegt ein Fehlurteil vor.
Aber es ist wie im Fußball: Schiedsrichterentscheidungen sind Tatsachenentscheidungen. Dr. Dengg hat mit seinem Antrag an die Agrarbehörde ohne Grund und ohne Auftrag eine Schwalbe im Strafraum produziert. Die Mitwirkung der Mitspieler ist unklar. Die Schiedsrichter sind darauf hineingefallen.
Die ganze Angelegenheit bekommt so groteske Züge.
Die ganze Angelegenheit bekommt so groteske Züge.
Shit happens.
Bei meiner Ehr‘.